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Kolumnen & Glossen

Kolumne „Kann passieren …“ – Der Schlaf der Kinder

Manchmal beginnen die Geschichten unseres Autors Andreas Ballnus ganz harmlos, um dann eine überraschende Wende zu nehmen. So ist es auch bei dem folgenden Text. Fans von Geschichten, die eine Gänsehaut verursachen können, werden vermutlich ihre Freude haben.

Foto: Pexels / Pixabay.com

Ich bitte dich, Kai, sei still! Die Kinder schlafen! Sie waren so erschöpft und können sich nun endlich ausruhen. Ich möchte sie jetzt nicht wecken – es hat doch so lange gedauert, bis sie zur Ruhe gekommen sind. Also bitte bleib still und reg dich nicht auf.

Wie friedlich sie da in ihren Bettchen liegen und schlafen. Rührend, nicht wahr?

Es war eine harte Zeit für uns alle, nachdem du uns verlassen hast. Doch die Kinder hat es am meisten getroffen. Sie haben zwar versucht, tapfer zu sein und sich nichts anmerken zu lassen. Aber es war deutlich zu spüren, wie sehr sie darunter gelitten haben. Anfangs fragten sie ja noch nach dir. Besonders Lisa wollte immer wieder wissen, wann du zurückkommst. Und Sylvia hat stets darauf bestanden, ein Extra-Gedeck für dich mit auf den Tisch zu stellen. Aber dann haben sie sich immer mehr zurückgezogen. Nur Jan nicht. Der wurde richtig aggressiv, bekam Ärger in der Schule. Ich war wirklich ratlos. Seinetwegen hatte ich auch ein ziemlich schlechtes Gewissen. Er fühlte sich wohl dafür verantwortlich, mir dabei helfen zu müssen, mit der ganzen Situation klar zu kommen. Das hat ihn total überfordert. Dabei habe ich das doch nie von ihm erwartet.

Anna hat wohl am wenigsten mitbekommen. Sie ist ja noch so klein. Trotzdem war sie in der ersten Zeit ziemlich quengelig. Kleinkinder spüren eben, wenn etwas nicht in Ordnung ist. Doch dann wurde auch sie immer stiller.

Ich selber bin sehr erschöpft. Doch jetzt sollen sich die Kinder erst einmal ausruhen. Dann bin ich dran.

Nein, deine Hilfe will ich nicht. Wirklich nicht! Du wirst mir niemals wieder helfen, Kai!

Was denkst du dir eigentlich überhaupt dabei, dich erst jetzt nach all den Monaten wieder zu melden? Kein bisschen hast du von dir hören lassen. Und jetzt tauchst du einfach so auf. Ich hätte das Türschloss auswechseln sollen.

Den Kindern werde ich bestimmt nicht erzählen, dass du da gewesen bist. Sie fragen sowieso nicht mehr nach dir. Warum soll ich also bei ihnen irgendwelche Hoffnungen wecken. Wir beide wissen doch, dass du nie wieder zurückkommen wirst. Nie wieder! Und das ist auch gut so.

Schau mal, wie der Wind mit den Gardinen spielt. Ist es nicht friedlich hier im Zimmer? Die Nacht scheint recht kühl zu werden. Das tut gut, nachdem die letzten Tage doch so heiß waren. Ich habe meinen Stuhl extra so hingestellt, dass ich das Fenster gut sehen kann. Nicht, dass da plötzlich jemand einsteigt. Niemand soll uns stören.

Also bitte sei still! Lass die Kinder schlafen. Du siehst ja selber, wie erschöpft sie sind. Sie schlafen nun schon seit mehr als vier Tagen. So lange sitze ich hier bereits und passe auf sie auf. Doch jetzt bin auch ich sehr müde.

 

– Andreas Ballnus —

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ZUM AUTOR

Andreas Ballnus
Jahrgang ’63, Liedermacher und Autor.  Unter dem Nick „anbas“ hat er in dem Literaturforum „Leselupe.de“ eine Vielzahl seiner Texte veröffentlicht. Er lebt in Hamburg und verdient sein Geld als Sozialarbeiter im öffentlichen Dienst. Weitere Informationen: andreasballnus.de.tl

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