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Kolumne „Kann passieren …“ – Zahlen im Visier

Zahlen sind weit mehr als nur der Bestandteil schulischer Unterrichtsfächer. Überall im Alltag haben sie oft große Bedeutung, auch in Religionen, Mystik und Aberglauben. Zahlen ordnen das Leben und sind für manche Menschen sogar sinngebend. Zunehmend spielen sie eine Rolle, wenn es um das „politisch korrekte Handeln“ geht – unser Autor Andreas Ballnus hat sich dazu seine ganz eigenen Gedanken gemacht.

Foto: Hero Design / Adobe Stock

Schon seit gefühlt ewigen Zeiten gilt die 13 bei uns als Unglücks-Zahl. So hat die Bahn keinen Wagen mit dieser Nummerierung, es gibt in Hotels häufig weder ein Zimmer 13, noch eine dreizehnte Etage, und auch die Zahl der Hochzeiten soll am dreizehnten eines Monats geringer sein als an anderen Tagen.

Lange Zeit sah ich dies als harmlosen Spleen an. Mir war auch bekannt, dass es in fast allen Religionen und Glaubensrichtungen Zahlen gibt, die eine besondere Bedeutung haben. Ebenso wusste ich, dass unter anderem die 18 und die 88 in rechtsradikalen Kreisen sehr geschätzt werden. Wobei hier die einzelnen Ziffern für die Buchstaben im Alphabet stehen. Gab es also irgendwo eine Kneipe oder einen Klub, bei denen die 18 oder 88 Teil des Namens waren, konnte man durchaus Rückschlüsse auf die Gesinnung der Betreiber ziehen. Der entsprechende Argwohn von den Anwohnern dieser Lokalitäten war also in meinen Augen durchaus verständlich.

Doch wie so oft kann man es auch übertreiben. Vor einigen Jahren gab es in Hamburg zur Vorweihnachtszeit einen riesen Aufschrei der Empörung. Objekt der Entrüstung war ein Kinderkarussell, das ein Auto mit der Nummer „88“ hatte. Dem Betreiber wurde rechtes Gedankengut unterstellt, was ihn dann fast in den Ruin getrieben hat.

Wie soll das weitergehen? Werden jetzt auch bei der Bahn Wagen mit der 18 abgeschafft? Gibt es bald kein Hotelzimmer mit der Nummer 88 mehr? Wie wäre es, sämtliche Paragraphen 18 und 88 umzubenennen?

Doch dann sollten wir konsequent sein. Beginnend mit den Namenskürzeln sämtlicher Mitglieder der NS-Führungsriege bis hin zu denen anderer Diktatoren und Despoten müssten alle entsprechenden Ziffern aus dem öffentlichen Leben verbannt werden. Letztendlich würde dies auf die Abschaffung von numerischen Bezeichnungen hinauslaufen.

Damit wären aber nicht nur Hausnummern, Bahnabteile oder Tischnummern betroffen. Auch die Bezeichnungen von Paragraphen in Gesetzestexten, die Nummerierungen auf Tagesordnungspunkten oder das Benotungssystem in Schulen müsste geändert werden.

Was käme aber dann als Alternative in Frage? Wie wäre es mit Blumen- und Pflanzenbezeichnungen? Bei Adressen könnte das dann zum Beispiel so aussehen, dass Herr Müller in der „Hauptstraße, Haus Rose“ neben Frau Maier, „Hauptstraße, Haus Liebstöckel“ wohnt. Hört sich irgendwie nach Urlaub in einer Ferienhaus-Kolonie an.

Bei (Schul-)Benotungen ließe sich vielleicht ein System aus der Fingersymbolik entwickeln: Daumen hoch, Daumen runter, Faust, Stinkefinger usw.

Schwieriger könnte sich dies aber in anderen Bereichen gestalten. „Paragraph Galgenmännchen“ wäre im Strafrecht zwar ganz witzig, doch gibt es alleine in diesem Rechtsbereich dermaßen viele Paragraphen, dass wir nicht ausreichend Symbole finden werden.

Das Ganze ist also eine wahre Herausforderung. Auf geht’s, packen wir es der Political Correctness zuliebe an!

– Andreas Ballnus —

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ZUM AUTOR

Andreas Ballnus
Jahrgang ’63, Liedermacher und Autor.  Unter dem Nick „anbas“ hat er in dem Literaturforum „Leselupe.de“ eine Vielzahl seiner Texte veröffentlicht. Er lebt in Hamburg und verdient sein Geld als Sozialarbeiter im öffentlichen Dienst. Weitere Informationen: andreasballnus.de.tl

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Bildquellen

  • Andreas Ballnus: Sebastian Lindau
  • Zahlen: Hero Design / Adobe Stock
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Kolumne Kann passieren

KOLUMNE KANN PASSIEREN

Andreas Ballnus erzählt in seiner Kolumne „Kann passieren“ reale Begebenheiten, fiktive Alltagsgeschichten und manchmal eine Mischung aus beidem. Diese sind wie das Leben: mal humorvoll, mal nachdenklich. Die Geschichten erscheinen jeweils am letzten Freitag eines Monats in business-on.de.

Hier finden Sie eine Übersicht aller Beiträge, die von Andreas Ballnus erschienen sind.

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Lesen Sie auch die  Buchbesprechung zur Antologie „Tierisch abgereimt“.

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