Nach der Champagnerlaune folgt 2024 die Katerstimmung
Die Anleger an den meisten Weltbörsen befanden sich vor dem Jahreswechsel in Champagnerlaune. Die relativ niederen US-Inflationsraten im November und die Aussichten auf Zinssenkungen der US-Notenbank Fed im nächsten Jahr versetzten die Anleger geradezu in euphorische Stimmung, aber in der Euphorie stirbt meistens die Hausse. Die wirtschaftlichen Aussichten für 2024 sind eher eingetrübt und die Geldmengen sinken, so dass in diesem neuen Jahr weniger Liquidität für die Börsen zur Verfügung stehen wird. Ein letztes Aufbäumen der Anleger trotz schlechter wirtschaftlicher Aussichten und großer geopolitischer Gefahren nennt man einen „Crack-up Boom“ (Katastrophenhausse), der nur von wenigen marktschweren Aktien getragen wird und der sich noch eine Zeitlang fortsetzen kann, bis die Anleger erkennen, dass die gute Stimmung übertrieben war. Dabei wurden die nach wie vor großen geopolitischen Gefahren wie eine mögliche Eskalation beim Ukraine-Krieg oder beim Israel-Krieg ausgeblendet und als „Non-Event“ betrachtet, was sich noch rächen kann.
Aktienhausse nur durch wenige marktschwere Aktien getragen
Immerhin erreichte der Dax im Dezember trotz der Rezession und einer in vielen Bereichen unfähigen Bundesregierung ein neues Allzeithoch und ein Plus von fast 20 Prozent seit Jahresbeginn, wobei hier insbesondere SAP und Siemens den Dax nach oben zogen. In den USA waren es vor allem die „glorreichen 7 KI-Aktien“ wie Microsoft und Nvidia die die US-Indices nach oben trieben. Nebenwerte waren kaum gefragt. Der Russe-2000-Index war sogar im Minus.
Osteuropabörsen als klare Outperformer
Noch besser als der Dax schnitten fünf Börsen aus Osteuropa ab, die den deutschen Leitindex klar outperformen konnten, alles voran die Budapester Börse mit einem Plus von 45 Prozent bei HTX-Index und die Warschauer Börse mit einem Plus von 41 Prozent beim PTX-Index, wobei neben Kursgewinnen an der Börse auch Währungsgewinne hinzukamen. Der CECE-Index, ein Kunstprodukt der Wiener Börse mit Ungarn, Polen und Tschechien im Boot erreichte sogar ein Plus von 35 Prozent und der SETX-Index für Aktien aus Südosteuropa und der Balkan-Region erreichte ein Plus von fast 30 Prozent, beides wesentlich besser als der Dax (plus 19 Prozent) oder der S&P-Index (plus 24 Prozent).
Gold und Kryptowährungen hui, Öl aber pfui
Der Goldpreis stieg seit Jahresbeginn um 13 Prozent auf 2.062 US-Dollar/Unze bzw. auf 1869 Euro/Unze, was sehr nahe dem alten Allzeithoch ist. Silber stieg auf 23,77 USD/Unze, was freilich von dem Allzeithoch von 50 USD/Unze noch weit entfernt ist. Insofern hat Silber 2024 noch mehr Erholungspotenzial. Die Organisation erdölexportierender Länder (Opec) beschloss zwar weitere Förderkürzungen. Aber im neuen Jahr drohen den USA eine Rezession und eine schwache Nachfrage aus China, so dass es Nachfragesorgen gibt. Der Brentölpreis fiel in einem Jahr um ca. 10 Prozent auf 77 USD/Barrel und der WTI-Ölpreis auf 71 US-Dollar. Gefragt bleiben weiter Kryptowährungen wie der Bitcoin und Ethereum mit jeweils neuen Jahreshöchstkursen. Der Bitcoin (BTC) stieg in einem Jahr sogar um über 150 Prozent, zuletzt vor allem wegen der bevorstehenden Genehmigung des BTC-ETF von BlackRock.
Wann wird es beim Israel- und Ukraine-Krieg endlich diplomatische Lösungen geben?
Beim Ukraine-Krieg rückt Russland mit aller Gewalt etwas vor und Ukraine hat alle Probleme, die Stellung zu halten. Russland bombardiert jetzt auch aggressiver in verschiedenen Städten die Infrastruktur. Der Ukraine fehlt es an Personal und Munition. Es darf bezweifelt werden, dass die angeforderten FH16-Kampfjets zu einem „Game Changer“ werden. In Russland finden im März Präsidentschaftswahlen statt und bis dahin will Präsident Wladimir Putin wohl für ihn vorteilhafte Fakten schaffen. Im März sollten auch Präsidentschaftswahlen in der Ukraine stattfinden, aber die wurden vom Präsidenten Wolodymyr Selenskyj kriegsbedingt schon abgesagt, ebenso wie zuvor die Parlamentswahlen im Oktober 2023.
Der Ukraine-Krieg scheint zwar durch die Bereitschaft des Westens, weiter Waffen und Munition zu liefern, kein Ende zu nehmen, aber es wäre jetzt sinnvoll einen Waffenstillstand herbeizuführen, damit nicht noch mehr neue junge Soldaten an der Front ihr Leben lassen müssen. Bei einer andauernden Patt-Situation machte es wenig Sinn, immer weiter zu kämpfen, sondern man sollte dann auf diplomatischen Wegen verstärkt nach für beide Seiten tragbaren Kompromisslösungen suchen. Das gleiche gilt auch für den Israel-Krieg mit einer Zwei-Staaten-Lösung schon um eine Ausweitung in einen Nahost-Konflikt zu vermeiden. Die USA spielen bei beiden Verhandlungen eine wichtige Rolle, wobei die EU und insbesondere Deutschland durch allzu einseitige Parteinahme als möglicher Friedensstifter bisher versagt hat.
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ZUM AUTOR
Andreas Männicke ist Journalist, Buchautor, Verleger, Börsen-Experte und Berater (mit Spezialisierung auf Osteuropa) – bekannt aus TV- und Radio-Sendungen wie N-TV, N24, DAF, Bloomberg, Deutsche Welle. Mehr Information: www.andreas-maennicke.de und www.eaststock.de
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