Der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) lagen zwei betriebsbedingte Kündigungen eines Arbeitgebers zugrunde. Die zum Zeitpunkt der Kündigung 65-jährige Klägerin war seit 1972 bei ihrem Arbeitgeber angestellt. Zum 30. Juni 2020 wurde der Mitarbeiterin mit dem Argument gekündigt, sie könne ab dem 1. Dezember 2020 eine abschlagsfreie Altersrente für besonders langjährig Beschäftigte beziehen. Wegen Bedenken des Betriebsrates kündigte der Arbeitgeber der Klägerin zum 30. September 2020 nochmals und bewertete dabei neben dem Alter der Mitarbeiterin auch noch weitere Aspekte.
Bei betriebsbedingten Kündigungen ist der Arbeitgeber verpflichtet, zu prüfen, welchem Arbeitnehmenden er aus einer Gruppe miteinander vergleichbaren Beschäftigten kündigen kann. Dabei sind unter anderem die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, Unterhaltspflichten sowie das Bestehen einer Schwerbehinderung zu beachten.
Im vorliegenden Fall hat sich der Arbeitgeber bei seiner ersten Kündigung ausschließlich das Merkmal des Alters herausgenommen. Er vertrat die Ansicht, dass die Arbeitnehmerin schon wegen der fünf Monate später bestehenden Möglichkeit, Altersrente zu beziehen, weniger schutzwürdig sei, als alle anderen Mitarbeitenden. Das BAG bestätigte zunächst, dass das Lebensalter von Beschäftigten zu deren Nachteil berücksichtigt werden darf. Dabei nimmt zunächst die Schutzbedürftigkeit mit steigendem Alter zu, da ältere Arbeitnehmende typischerweise auf dem Arbeitsmarkt schlechtere Chancen auf eine Neuanstellung haben. Wenn Beschäftigte jedoch innerhalb von zwei Jahren nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Möglichkeit auf eine abschlagsfreie Rente wegen des Alters haben, reduziert sich die Schutzwürdigkeit wieder. Als Altersrente zählt dabei auch die Rente wegen besonders langjähriger Beschäftigung, nicht jedoch die Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Im vorliegenden Fall konnte der baldige Rentenbezug somit die Sozialauswahl der Arbeitnehmerin zu ihrem Nachteil beeinflussen. Allerdings war die erste Kündigung dennoch unwirksam. Der Renteneintritt darf nicht das einzige Auswahlkriterium sein. Die übrigen Merkmale wie Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten sowie das Bestehen einer Schwerbehinderung müssen ebenso beachtet werden. Vor diesem Hintergrund hielt das BAG die zweite, zum 30. September 2020 ausgesprochene Kündigung für wirksam.
— Lisa Aepler —
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ZUR AUTORIN
Rechtsanwältin Lisa Aepler
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