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Kolumnen & Glossen

Kolumne „Kann passieren …“ – Fremde Welten

Je toleranter und freier eine Gesellschaft ist, umso mehr Möglichkeiten gibt es, das eigene Leben zu gestalten. Mit zunehmendem Alter mag es manchen von uns schwerfallen, hier noch mitzuhalten und alles, was da um einen herum geschieht, noch verstehen und nachvollziehen zu können. Dabei verschwimmen hin und wieder auch die Grenzen zwischen eigenen Grundwerten und einer altersbedingten Inflexibilität. Unser Autor Andreas Ballnus hat sich mal diesem Thema angenommen.

PawinG / Pixabay.com

Neulich bin ich beim Zappen mal wieder an der falschen Stelle hängengeblieben. Es war irgend so eine bescheuerte Reality-Serie, in der es ums Heiraten ging. Eine wirklich gutaussehende Frau, Anfang 30, sagte mit großen leuchtenden Augen, dass wohl jedes Mädchen davon träumt, einmal Prinzessin sein zu dürfen.

„Hoffentlich nicht!“, schoss es mir durch den Kopf.

Zum einen habe ich Probleme damit, wenn sich erwachsene Menschen als ‚Mädchen‘ oder ‚Junge* bezeichnen. – Okay, wenn es als lockerer Spruch genutzt wird, wie zum Beispiel „Hallo Jungs!“ oder „Auf geht’s, Mädels!“, kann ich damit leben. Doch ansonsten rollen sich bei mir fast schon die Fußnägel auf, wenn jemand solch eine Formulierung verwendet. – Es ist fast so schlimm, wie Ehepaare, die sich mit „Mutti“ und „Vati“ anreden.

Zum anderen wäre es wirklich furchtbar, wenn jede Frau diesen Traum hätte, einmal Prinzessin zu sein. Die Vorstellung, eine Partnerin zu haben, die an ihrer Hochzeit wie eine Prinzessin auftreten und behandelt werden möchte, ist für mich genauso attraktiv, wie der Gedanke, in eine Qualle zu beißen. – Ich weiß, es gibt Länder, in denen Quallen gegessen werden, aber das ist nicht meine Welt. Und genau so wenig ist es meine Welt, in der sich erwachsene Frauen als „Mädchen“ bezeichnen und Prinzessinnen sein wollen. – Okay, beim Fasching würde ich es noch durchgehen lassen, aber Karneval, Fasching oder auch Motto-Partys sind ebenfalls nicht so meine Welt …

Dabei bin ich überhaupt nicht unromantisch. Für schöne Sonnenuntergänge, einen grandiosen Sternenhimmel oder einem Essen bei Kerzenschein (jedoch ohne Stehgeiger, bitte) bin ich durchaus zu haben. Aber eben nicht für diesen Mädchen-Prinzessinnen-Quatsch von erwachsenen Frauen.

Genauso verhält es sich übrigens auch mit den sogenannten ‚Jungs-Sachen‘. Typen, die davon träumen, sich als strahlende Ritter vor ihren Liebsten zu beweisen, sind mir ebenfalls so suspekt, wie auch jene, die zu wissen meinen, was einen starken Jungen oder wahren Mann ausmacht. Solche Anwandlungen sind mir weitgehend fremd. – Okay, in schwachen Momenten, steigen auch in mir Heldenphantasien auf. Dies sind dann aber wirklich schwache Momente, in denen ich mich mies fühle und hoffe, mich mit solchen Gedankenspielen ein wenig aus der seelischen Talsohle zu holen. Nein, dass alles ist sonst ebenfalls nicht meine Welt. Wie gesagt, ich fresse auch keine Quallen. Außerdem wären es dann ‚Männer-Sachen‘ – zumindest spätestens dann, wenn die Person ihre Volljährigkeit erreicht hat.

Insgesamt ist die Liste von den Dingen, die nicht zu meiner Welt gehören, lang – und sie wird, wie es mir scheint, immer länger. Seien es nun Fernsehformate wie Frauentausch, Shoppingqueen oder Topmodel, Veranstaltungen wie feucht-fröhliche Partys, Halloween, Bungeespringen, Schönheitswettbewerbe oder Junggesellen-/Jungesellinnen-Abschiede, oder andere Dinge wie das Gendern, Facebook, Twitter, WhatsApp oder, oder, oder …

Sicher, zumindest teilweise wird das auch mit dem Älterwerden zu tun haben. Aber ich will auch gar nicht in diese Welt oder Welten hineingeraten oder mich mit ihnen näher befassen. Lieber sterbe ich einsam. – Aber das muss ich gar nicht. Es gibt gottseidank Menschen, die ähnlich drauf sind wie ich. Auch, wenn es vielleicht nicht so viele sind.

Außerdem heißt es ja nicht, dass Leute aus diesen mir so fremden Welten per se unsympathisch sind. Solange es trotzdem noch gemeinsame Interessen gibt, kann man ja durchaus immer mal wieder schöne Zeiten miteinander verbringen und auch befreundet sein. – Nur in Quallen werde ich niemals beißen …

– Andreas Ballnus —

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ZUM AUTOR

Andreas Ballnus
Jahrgang ’63, Liedermacher und Autor.  Unter dem Nick „anbas“ hat er in dem Literaturforum „Leselupe.de“ eine Vielzahl seiner Texte veröffentlicht. Er lebt in Hamburg und verdient sein Geld als Sozialarbeiter im öffentlichen Dienst. Weitere Informationen: andreasballnus.de.tl

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Andreas Ballnus erzählt in seiner Kolumne „Kann passieren“ reale Begebenheiten, fiktive Alltagsgeschichten und manchmal eine Mischung aus beidem. Diese sind wie das Leben: mal humorvoll, mal nachdenklich. Die Geschichten erscheinen jeweils am letzten Freitag eines Monats in business-on.de.

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