Eine hauswirtschaftliche Helferin in der Probezeit wehrte sich gegen eine Kündigung der Arbeitgeberin, welche ihr am 7. November 2020 zuging. Am 2. Dezember 2020 teilte sie dem Gericht mit, in der sechsten Woche schwanger zu sein. Das Unternehmen erfuhr davon erst am 7. Dezember 2020 mit der Abschrift, in der eine Schwangerschaftsbestätigung einer Frauenärztin vom 26. November 2020 beigefügt war. Die Klägerin legte im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens eine weitere Schwangerschaftsbescheinigung vor, in welcher der voraussichtliche Geburtstermin mit 5. August 2021 angegeben wurde. Die Klägerin berief sich auf die Unwirksamkeit der Kündigung. Schließlich habe die Schwangerschaft bereits zum Zeitpunkt der Kündigung bestanden. Von der Schwangerschaft habe sie erst am 26. November 2020 sichere Kenntnis erhalten. Die verspätete Mitteilung an die Beklagte sei unverschuldet und unverzüglich nach ihrer – der Klägerin – Kenntnis erfolgt.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und das Vorliegen einer Schwangerschaft zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs bestritten. Die Klägerin hätte sie schon früher über eine mögliche Schwangerschaft benachrichtigen müssen. Jedenfalls sei die Mitteilung der Klägerin nicht mehr unverzüglich erfolgt. Ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten bei der verspäteten Übermittlung der ärztlichen Bescheinigung müsse sich die Klägerin zurechnen lassen.
Die Kündigungsschutzklage scheiterte in den Vorinstanzen. Der voraussichtliche Entbindungstermin könne nur 266 Tage zurück gerechnet werden, so die Gerichte.
Die Revision der Klägerin hatte Erfolg und das BAG wies die Klage ans Landesarbeitsgericht (LAG) zurück. Dem BAG zufolge wird der Beginn des Kündigungsverbots bei natürlicher Empfängnis in entsprechender Anwendung von Paragraph 15 MuSchG in der Weise bestimmt, dass vom ärztlich festgestellten mutmaßlichen Tag der Entbindung um 280 Tage zurück gerechnet werde. Dieser Zeitraum umfasse die mittlere Schwangerschaftsdauer. Er markiere die äußerste zeitliche Grenze, innerhalb derer bei normalem Zyklus eine Schwangerschaft vorliegen könne. Diese Auslegung stehe im Einklang mit dem Unionsrecht. Das in der Mutterschutzrichtlinie vorgesehene Kündigungsverbot solle verhindern, dass sich die Gefahr, aus Gründen entlassen zu werden, die mit dem Zustand der schwangeren Arbeitnehmerin in Verbindung stehen, schädlich auf ihre physische und psychische Verfassung auswirken könne. Daher sei vom frühestmöglichen Zeitpunkt einer Schwangerschaft auszugehen, um die Sicherheit und den Schutz von schwangeren Arbeitnehmerinnen zu gewährleisten.
Ob die Arbeitnehmerin die rechtzeitige Mitteilung der Schwangerschaft unverschuldet versäumt habe, müsse nun das LAG prüfen.
— Svenja Hoppe-Sumic —
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ZUR AUTORIN
Rechtsanwältin Svenja Hoppe-Sumic
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