Die Zahlungsmoral, also der Anteil verspäteter und uneinbringlicher Forderungen, hat sich in Europa seit 2019 verschlechtert. Bei etwa jedem fünften Unternehmen führt diese Entwicklung zu Existenzängsten. In Deutschland hingegen zeigt sich ein anderes Bild: Die Zahlungsmoral hierzulande ist seit 2019 konstant und bleibt auch nach drei Jahren die höchste im europäischen Vergleich. Das ergab die repräsentative EOS-Studie „Europäische Zahlungsgewohnheiten”, für die 3.200 Unternehmen in 16 europäischen Ländern telefonisch befragt wurden.
Deutschland und Belgien mit niedrigsten Ausfallquoten
Trotz verlängerter Zahlungsfristen durch die Unternehmen haben demnach 14 Prozent der Kundinnen und Kunden in Deutschland ihre Rechnungen zu spät oder gar nicht beglichen. Mit diesem Ergebnis schneidet Deutschland laut Studienautoren deutlich besser als der europäische Durchschnitt ab. Im Vergleich zur Vorgängerstudie von 2019, wo insgesamt 19 Prozent der Rechnungen in Europa verspätet oder gar nicht gezahlt wurden, liegt ihr Anteil aktuell bereits bei 21 Prozent. Im westeuropäischen Vergleich zeichnet sich dieser Trend ebenfalls ab: Mit Ausnahme von Deutschland und Belgien. Der Anteil verspäteter oder uneinbringlicher Zahlungen ist in Deutschland seit 2019 konstant geblieben und in Belgien von 20 auf 18 Prozent gesunken. Das sind die niedrigsten Werte in Europa.
Als Folge dieser Zahlungsverzögerungen gaben 42 Prozent der europäischen Unternehmen an, selbst mit Liquiditätsengpässen zu kämpfen. 51 Prozent leiden unter Gewinneinbußen. Dadurch musste knapp ein Drittel der Unternehmen ihre Investitionen reduzieren (30 Prozent) und Preise erhöhen (28 Prozent). Entsprechend pessimistisch blicken die Unternehmen in die Zukunft. So gehen in Europa und Deutschland je 24 Prozent der Befragten davon aus, dass sich die Zahlungsmoral negativ entwickeln wird. „Dass sich die Zahlungsmoral deutlich verschlechtert hat, ist beunruhigend – gerade, weil wir angesichts aktueller Wirtschaftszahlen und der hohen Inflation mit einem weiteren Rückgang des Zahlungsniveaus rechnen müssen”, kommentiert Marwin Ramcke, CEO der EOS-Gruppe.
Liquiditätssicherung durch Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern
Um Forderungen beizutreiben, arbeiten laut EOS-Mitteilung immer mehr Unternehmen mit externen Dienstleistern im Forderungsmanagement zusammen. So auch in Deutschland: Bei 35 Prozent der Unternehmen erfolge die Bearbeitung sowohl über interne als auch externe Dienstleister. 10 Prozent der Unternehmen haben das Forderungsmanagement nach Angaben komplett an externe Dienstleister outgesourct. Durch diese Zusammenarbeit hätten Unternehmen nach EOS-Angaben durchschnittlich rund 6 Prozent ihres Umsatzes zurückführen können.
Digitale Zahlungsmethoden im Kommen
Zugleich bauen Unternehmen digitale Zahlungsmethoden aus, so EOS. Sowohl in West- als auch Osteuropa sei dieser Ausbau in den letzten drei Jahren deutlich gestiegen. Das Angebot digitaler Zahlungsmethoden der westeuropäischen Unternehmen habe sich seit 2019 um 14 Prozentpunkte auf 46 Prozent erhöht.
Zum Hintergrund: Die EOS-Studie „Europäische Zahlungsgewohnheiten“ ermittelt seit 2007 ein Stimmungsbild der internationalen Wirtschaft. 2022 erscheint sie zum 13. Mal. Zwischen dem 4. März und dem 19. April 2022 wurden laut eigenen Angaben 3.200 Finanzentscheiderinnen und -entscheider aus Unternehmen mit jeweils mindestens fünf Millionen Euro Jahresumsatz telefonisch zu eigenen Zahlungserfahrungen sowie zu aktuellen Themen im Risiko- und Forderungsmanagement befragt. Die Studie wurde von Kantar, einem weltweit führenden Marktforschungsinstitut durchgeführt. EOS gehört zur Otto Group.
Bildquellen
- EOS-Studie Zahlungsmoral: EOS Holding GmbH
