Am 7. April 2022 wurden die Studienergebnisse des „Werteindex Update 2022/1– Projekt Zuversicht“ in Hamburg vorgestellt. Herausgeber der Studie sind seit der ersten Erhebung 2009 Prof. Peter Wippermann, Gründer des Trendbüro, und Jens Krüger, CEO von Bonsai Research. Neu im Herausgebergremium ist die Unternehmensberatung Fritz Classen mit Managing Director Björn Welzel; Prof. Peter Wippermann hat an Ulrich Köhler vom Trendbüro übergeben. Erhoben wird der Werteindex vom Forschungsteam von Bonsai Research und Trendbüro. Basis der Publikation ist die Erfassung von 15 grundlegenden Werten in den deutschsprachigen sozialen Medien. Der Wertewandel vollzieht sich derzeit schneller als je zuvor. Aus diesem Grund soll der Werteindex, der bisher alle zwei Jahre in gedruckter Form erschien, künftig mehrmals im Jahr mit einem digitalen Update aktueller Werte herauskommen. So könnten Unternehmen und Organisationen jederzeit aktuelle Auswertungen beziehen, um frühzeitig Veränderungen der Werte zu erkennen und darauf zu reagieren, so die Ankündigung.
Die erweiterte Zusammenarbeit zwischen Trendbüro, Bonsai Reseach und Fritz Classen sowie die Verknüpfung der jeweiligen Technologien – Werteindex-Analyse und clåss-Segmentierung – ermögliche eine Betrachtung der gesellschaftlichen und persönlichen Ebenen. Die clåss-Segmentierung untersucht „auf einer sehr feinen, fragmentierten Ebene“ die „soziokulturellen Unterschiede verschiedener sozialer Klassen beziehungsweise Submilieus“. Dabei habe jedes soziokulturelle Segment einen eigenen Wertekanon, über den es sich ausdrückt und darüber unter anderem auch seinen Lebensstil definiert. Die Herausgeber des Werteindex versprechen sich von der Verknüpfung, Analysen für Marken operativer umzusetzen, etwa um gemeingesellschaftliche Daten auf Zielgruppen aufzuschlüsseln.
Werteindex Update 2022/1 – Projekt Zuversicht
Für das aktuelle Update wurden unter Einsatz künstlicher Intelligenz Social-Media-Beiträge ausgewertet, die im zweiten Halbjahr 2021 in relevanten sozialen Medien erschienen sind. Mit insgesamt 18.825.145 Posts (Wort und Bild) waren es so viele wie nie zuvor. Doch auch der aktuelle Werteindex sei keine Studie der großen Zahlenorgien: Vielmehr würden die Ergebnisse genutzt, um den Wertewandel zu interpretieren, neue Trends aufzuspüren und konkrete Beispiele dafür zu finden, wie Unternehmen, Politik und Gesellschaft sich bereits verändern und sich künftig verändern müssen, so die Herausgeber.
Warum der Titel „Projekt Zuversicht“? Es sei zu sehen, dass die Themen, die die Menschen bewegen, aktiver angegangen werden, sagen die Marktforschenden. Die Pandemie habe zwar ihren Schrecken nicht verloren, die Endzeitstimmung aber sei einem Pragmatismus gewichen. Solidarität werde immer öfter nicht nur bekundet, sondern tatsächlich gelebt wie aktive Hilfe und Spenden nach den Überschwemmungen im Ahrtal vergangenes Jahr zeigen – und jetzt bei der Unterstützung der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine.
In der Detailanalyse der einzelnen Konversationen und Posts zeigt sich: Alle Werte werden aktuell neu verhandelt – ob in der Familie oder in der Politik. Die Menschen haben erkannt, dass es einen Weg zurück ins das alte „Normal“ nicht mehr geben wird. Die Zeiten stehen auf Veränderung. Politisch, gesellschaftlich und auch im individuellen Rahmen.
Was die Menschen am meisten beschäftigt
Der Werteindex zeigt nicht nur, wie häufig und damit wie intensiv sich die Menschen in sozialen Medien mit einem Wert beschäftigen, sondern auch, welche Aspekte sie am stärksten bewegen. Beispiel Gesundheit: Die Hälfte aller Posts zum Wert Gesundheit beschäftigt sich im zweiten Halbjahr 2021 mit dem Thema Corona und hier speziell mit Fragen zu den möglichen individuellen (Langzeit-)Folgen sowie mit den Auswirkungen auf die Gesellschaft. Intensiver als früher wird über Gesundheitspolitik gesprochen (14 Prozent der Posts).Das Thema Gesundheit im Alltag wird präsenter und manifestiert sich mit „Bleib gesund!“ auch in der Sprache. Reine Lifestyle-Aspekte des Health-Themas sind im Vergleich zu den Vorjahren in den Hintergrund getreten: Lediglich drei Prozent der Beiträge beschäftigen sich noch damit.
Gesundheit ist der wichtigste Wert für die Deutschen – vor Freiheit und Familie
- Gesundheit – Auch im zweiten Pandemiejahr beschäftigt dieser Wert die Menschen am stärksten. Die Einstellung zum Thema Gesundheit wird in vielen Bereichen des Lebens prägend.
- Freiheit – Diesen Wert ließ die Möglichkeit zur Impfung bereits im Frühjahr 2021 in die Höhe schießen. Im zweiten Halbjahr hat das Thema Freiheit in der öffentlichen Diskussion weiter gewonnen und schiebt sich im Ranking der meistbesprochenen Werte von Rang 4 auf Rang 2 vor
- Familie – Auffällig ist, dass der Wert Familie, die insbesondere in Krisenzeiten als (Rückzugs-)Ort der Geborgenheit gilt, einen Platz eingebüßt hat und jetzt auf dem dritten rangiert. Familie wird zum Sinnbild der außergewöhnlichen Belastungen, die der anhaltende Ausnahmezustand von den Einzelnen fordert.
Drei Trends des Werteindex Update 1/2022
Trend 1 – Regenerativ leben
Regenerativ leben steht nicht nur für ein gestiegenes Bewusstsein für Klimaschutz. Es umfasst viele wichtige Lebensbereiche und -themen – von Gesundheit bis Generationengerechtigkeit, von Energiewende bis Ernährung. Die Pandemie hat unser Bewusstsein für das Wohlergehen unseres Körpers tiefgreifend verändert, das Bemühen um einen gesunden Lifestyle verstärkt. Online-Nutzende motivieren sich in sozialen Medien zu mehr Bewegung und besserer Ernährung (weniger Fleisch!) – und wünschen sich auch mehr Unterstützung, wenn es darum geht Krankheiten vorzubeugen. Die Generation Z setzt ihre Werte in Sachen Gesundheit und Nachhaltigkeit zunehmend durch und fordert damit Politik und Wirtschaft. Die Menschen dieser Generation haben ein Sensorium für ihre individuelle Klimabilanz entwickelt und verlangen, dass Unternehmen genauso ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten wie sie selbst es im Privaten tun oder gerne tun würden.
Trend 2 – Einengendes loslassen
Der pandemische Alltag ist von zahlreichen Einschränkungen geprägt. Je beengender sie wahrgenommen werden, desto größer wird die Sehnsucht des Einzelnen danach, sich nicht nach den normativen Vorstellungen anderer auszurichten. Insbesondere junge Menschen wollen ihren Alltag (selbst)sicher und selbstbestimmt führen. Junge Talente und Mitarbeitende sind in ihrem Wunsch nach wertschätzenden, flexiblen Arbeitsverhältnissen kompromissloser geworden. Eltern fühlen sich nicht hinreichend gehört, beklagen insbesondere mangelnde Unterstützung bei der Kinderbetreuung und die (zu) hohen Belastungen durch Familie und Beruf.
Trend 3 – Gemeinschaft wagen
Die Pandemie hat die Art und Weise, wie wir unsere sozialen Interaktionen gestalten, grundlegend verändert. Viele Menschen, insbesondere alleinlebende Frauen und Jüngere, fühlen sich einsam. Aber jede dritte Person war mit dem sozialen Rückzug im Lockdown auch zufrieden. Und viele Social-Media-Aktive nutzen den virtuellen Raum, um Gemeinsamkeit neu zu erleben und zu organisieren. Die zentrale Frage: Wie lässt sich unter den neuen Bedingungen gemeinsam leben und die Vielfalt anderer Lebenswelten erleben?
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Bildquellen
- Werteindex 2022/1: Werteindex
- Werteindex-Ranking 2012-2022: Werteindex
- Pressetermin zur Vorstellung des Werteindex 2022/1: Favorit-Media-Relations GmbH