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Gastredner Clemens Fuest: „Deutschland wird für Trump ein Sündenbock sein“

Im Rahmen der Mitgliederversammlung des AGA Unternehmensverbands mit rund 250 Gästen stellten Prof. Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München, und AGA-Präsident Dr. Hans Fabian Kruse Wirtschaftsprognosen für (Nord-)Deutschland, Europa und die USA vor. Zwei große Unwägbarkeiten für Deutschland: Donald Trumps Wirtschaftspolitik und Großbritanniens Austritt aus der Europäischen Union.

Ulrich Perrey / AGA Unternehmensverband

Im Rahmen der Mitgliederversammlung des AGA Unternehmensverbands mit rund 250 Gästen stellten Prof. Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München, und AGA-Präsident Dr. Hans Fabian Kruse Wirtschaftsprognosen für (Nord-)Deutschland, Europa und die USA vor. Zwei große Unwägbarkeiten für Deutschland: Donald Trumps Wirtschaftspolitik und Großbritanniens Austritt aus der Europäischen Union.

Deutschland hat 2016 (bis einschließlich November) einen Außenhandelsüberschuss von 234 Milliarden Euro erwirtschaftet. Für das laufende Jahr prognostiziert der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) von bis zu 2,5 Prozent Wachstum in der Branche.

Das ifo Institut erwartet in einer Dreijahresprognose für dieses Jahr ein Wachstum des deutschen Bruttoinlandsprodukts von 1,5 Prozent und damit eine ähnliche Wirtschaftsdynamik wie im Vorjahr. Die Annahmen der Prognose beruhten jedoch darauf, dass sich entscheidende Größen nicht verändern, dass es etwa keine gravierenden politischen Veränderungen gebe, so Clemens Fuest auf der Mitgliederversammlung des AGA Unternehmensverbandes, die am 31. Januar 2017 in der Hamburger Hafencity in den Räumen der Kühne Logistics University – KLU stattfand.

Inkonsistentes US-Wirtschaftsprogramm

Der Wirtschaftsforscher warnte, dass die stabile wirtschaftliche Lage in Deutschland in Gefahr gerate. Sorgen bereiteten die Entwicklungen in den USA, die für Deutschland der weltweit der wichtigste Exportmarkt sind. Das gesamte Wirtschaftsprogramm des US-Präsidenten Donald Trump passt nach Ansicht Fuests nicht zusammen. Trump verfolge einerseits das Ziel Industriearbeitsplätze zurückzubringen. Andererseits plane er Steuersenkungen kombiniert mit höheren Infrastrukturausgaben. Dieses zweite Ziel würde, so Fuest, den Dollar in die Höhe treiben, für höhere Schulden und höhere Zinsen sorgen und hätte die Zerstörung von Industriearbeitsplätzen zur Folge. Das machte Importe in die USA wettbewerbsfähiger, die US-amerikanische Industrie würde dagegen weniger wettbewerbsfähig. „Trumps inkonsistente Wirtschaftspolitik mit einer radikalen Steuerreform kann nur scheitern. Dann wird der amerikanische Präsident Sündenböcke für seine verfehlte Politik suchen und sie in China und auch Deutschland, mit seinem Exportüberschuss, finden“, sagte Fuest.

Des Weiteren stelle Trump mit seinen wirtschaftlichen Vorhaben infrage, ob völkerrechtliche Verträge, wie das Doppelbesteuerungsabkommen der Welthandelsorganisation WTO, für die USA bindend seien. Denn: Die Republikanische Partei habe ein Steuerreformprogramm in der Schublade, bei dem Importe im Land nicht mehr abzugsfähig und Exporte steuerlich freigestellt wären. Das würde sich wie Zoll auswirken. Für Länder ohne Außenhandelsüberschuss sei dieses Programm attraktiv; außenhandelsstarke Länder wie Deutschland wären dadurch deutlich benachteiligen.

AGA-Präsident Kruse schaute ebenfalls kritisch auf die Entwicklungen in den USA: „Wir erleben seit zehn Tagen: Der Stil ist ganz anders geworden und unklar ist, was die neue Regierung wirklich tun wird. Sie startet auf einem guten Fundament, denn am Ende der Obama-Ära wächst die Wirtschaft und die Arbeitslosigkeit ist niedrig. Wünschen wir Amerika und uns allen, dass nicht Irritationen, sondern neue Lösungen in den Mittelpunkt rücken.“

Deutschland als Verlierer eines harten Brexits?

Vordringliche Probleme sieht Clemens Fuest in der Europäischen Union. Sein nachdrücklicher Rat: „Europa sollte sich zusammenraufen und weniger nach innen schauen.“ Im Hinblick auf den EU-Austritt Großbritanniens, dem drittwichtigsten Handelspartner, könnte Deutschland einer der Hauptverlierer sein, wenn es wie angekündigt zu einem ‚harten Brexit‘ komme, so Fuest. „In der Übergangsphase, während die Regeln noch gelten, sollte viel geredet werden, um zu neuen Möglichkeiten zu kommen.“ Denn, so die Warnung des Professors: „Ein neues Freihandelsabkommen zwischen Großbritannien und der Europäischen Union ist in zwei Jahren nicht verhandelbar.“

AGA-Indikator: norddeutsche Wirtschaft in guter Verfassung

AGA-Präsident Kruse gab auch die Zahlen des aktuellsten AGA-Wirtschaftstests (4. Quartal 2016) bekannt. Danach blicken die Branchenunternehmen – noch ohne Berücksichtigung der Eindrücke seit der Amtseinführung des US-Präsidenten – zuversichtlich auf das aktuelle Jahr. So erwarten 57 Prozent der norddeutschen Unternehmen bis Ende Juni 2017 einen höheren Umsatz, nur 10 Prozent einen geringeren. Fast jedes dritte Unternehmen (29 Prozent) geht von einem höheren Gewinn aus, 15 Prozent von weniger. Der AGA-Indikator, das Konjunkturbarometer für den Groß- und Außenhandel, steigt von 121,5 auf 126,8 Punkte. Das sei der höchste Stand seit zwei Jahren, so Kruse. Aber es gelte zu differenzieren: Der Export-Umsatz sank im 4. Quartal 2016 um nominal 1,1 Prozent. Dagegen stieg im Import der Umsatz um 3,1 Prozent und fast zwei Drittel der Betriebe waren mit der Umsatzentwicklung zufrieden.

„Die gedrückte Stimmung beim Export hängt natürlich auch mit der Situation in der Ukraine zusammen. Der deutsche Handel mit Russland ging wegen der Wirtschaftssanktionen 2016 erneut um rund 30 Prozent zurück. Ein Ende ist nicht in Sicht, zumal die Sanktionen vom Europäischen Rat bis zum 31. Juli 2017 verlängert wurden“, so der Kruse.

 

Bildquellen

  • tschirch_fuest_kruse: Ulrich Perrey / AGA Unternehmensverband
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