Trotz leicht rückläufiger Inflation im zweiten Quartal 2023 ist noch keine Entspannung der wirtschaftlichen Lage für die norddeutschen Händler und Dienstleister in Sicht. Der Umsatz sank real um 5,8 Prozent (nominal: minus 2,8 Prozent). Vor allem im Groß- und Außenhandel spitzt sich die Lage dramatisch zu. Dort ist die Nachfrage bei der Hälfte der Unternehmen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum erheblich zurückgegangen. Die insgesamt angespannte Situation führt auch zu einem zögernden Investitionsverhalten in allen Wirtschaftsstufen. Das sind zentrale Ergebnisse des Wirtschaftstests, den der AGA Unternehmensverband zwischen dem 6. Juni und 7. Juli 2023 unter den norddeutschen Unternehmen durchführte.
AGA-Präsident Dr. Hans Fabian Kruse sagt dazu: „Wir leben in einer Zeit multipler Krisen, die das Wirtschaften erschweren. Doch die Politik ignoriert die Realität und zwingt Händler und Dienstleister durch eine Flut an Regularien, gepaart mit höheren Kosten, zunehmend in die Knie. Die Devise muss lauten: Entlastung statt Regulierungsbankrott. Das politische Versprechen eines Belastungsmoratoriums wird immer wieder gebrochen. Damit den Unternehmen die Luft nicht abgeschnürt wird, braucht es dringend Entlastung bei Energiepreisen und ein Ende der überbordenden Bürokratie. Gerade die Regulierungs- und Verteilungspolitiker müssen akzeptieren: Der Sozialstaat kann nur finanziert werden, wenn die Unternehmen auch überleben.“
Steigende Gesamtkosten belasten die Unternehmen
Laut Angaben berichten drei Viertel der befragten norddeutschen Unternehmen von zunehmenden Gesamtkosten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Diese sind im Durchschnitt um 9,3 Prozent gestiegen. Für die nächsten sechs Monate erwarten 40 Prozent weiterhin steigende Kosten und 54 Prozent rechnen damit, dass die Kosten auf dem aktuellen Niveau bleiben. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist die Nachfrage bei lediglich 13 Prozent gestiegen und bei 43 Prozent in etwa gleich geblieben. Dies führt im zweiten Quartal bei 29 Prozent der Unternehmen zu einer verschlechterten Gewinnsituation und bei 58 Prozent zu einer gleichbleibenden Gewinnsituation.
Auch die Erwartungen für das zweite Halbjahr sind verhalten. 54 Prozent kalkulieren mit in etwa gleichbleibenden Umsätzen und 29 Prozent mit einem Rückgang. Mit konstanten Gewinnen rechnen 43 Prozent der Unternehmen, 47 Prozent gehen sogar von einem Rückgang aus.
Weiterhin steigende Kosten, reale Umsatzeinbußen und die zurückhaltenden Aussichten hätten dazu, dass im zweiten Quartal der AGA-Indikator für den Groß- und Außenhandel abgestürzt ist, so der Unternehmensverband. Aktuell liegt er bei 84,1 Punkten (Vorquartal: 108,5 Punkte). Im Gegensatz dazu hat sich der Indikator bei den unternehmensnahen Dienstleistern von 105,4 Punkten auf 115,1 Punkte verbessert. Im Vergleich zum Groß- und Außenhandel sei dieser Anstieg auf die aktuell stabile Nachfrage zurückführen, von der 80 Prozent der Dienstleister berichten.
Investitionen fallen geringer aus
Die Gesamtstimmung spiegelt sich laut AGA Unternehmensverband auch in den Investitionen wider, die deutlich geringer ausfallen als im Vorjahr. So liegt die Investitionsquote 2023 bei durchschnittlich 4,1 Prozent, 2022 lag sie noch bei 5,3 Prozent. Während die Investitionen im Groß- und Außenhandel mit durchschnittlich 3,2 Prozent niedriger ausfallen, liegt die Investitionsquote im Dienstleistungssektor mit 5,5 Prozent deutlich über dem Durchschnitt. Dabei wird am häufigsten in den Ersatz bestehender Vermögenswerte investiert. Vor allem investieren Unternehmen in die EDV und Telekommunikationstechnik, gefolgt von Investitionen in den Fuhrpark und in die Geschäftsausstattung. Kaum durchgeführt, wie auch schon im Vorjahr, werden Betriebsübernahmen oder -verlagerungen.
Die norddeutschen Bundesländer im Vergleich
Im zweiten Quartal 2023 fiel der Umsatz in Hamburg um real 4,4 Prozent (nominal: minus 2,0 Prozent), in Bremen sank er um real 6,9 Prozent (nominal: minus 2,2 Prozent). In Schleswig-Holstein ging er um real 5,4 Prozent nach unten (nominal: minus 1,2 Prozent), in Mecklenburg-Vorpommern sank der Umsatz um real 6,8 Prozent (nominal: minus 1,7 Prozent) und in Niedersachsen ging er um real 6,2 Prozent zurück (nominal: minus 2,3 Prozent). Sachsen-Anhalt verzeichnet den stärksten Umsatzrückgang von 11,8 Prozent (nominal: minus 4,0 Prozent).
Bildquellen
- Container-Beladung im Hamburger Hafen: Favorit-Media-Relations GmbH