Die Corona-Krise zwingt viele Unternehmen, von der Möglichkeit der Kurzarbeit Gebrauch zu machen. Dies bedarf einer rechtlichen Grundlage, die sich im Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder einer Vereinbarung im Arbeitsvertrag finden kann. Andernfalls ist eine individuelle Vereinbarung notwendig. Doch was, wenn sich der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin dem verweigert? Einzige Möglichkeit, die dem Arbeitgeber dann noch bleibt, ist der Ausspruch einer betriebsbedingten Änderungskündigung zur Einführung der Kurzarbeit. Der Arbeitnehmer hat nur dann die Wahl zwischen der Kündigung und dem geänderten Arbeitsvertrag, der die Kurzarbeit beinhaltet.
Hintergrund des vom Arbeitsgericht Stuttgart zu entscheidenden Streits war die gegenüber einer Mitarbeiterin, die seit 2011 als Personaldisponentin tätig war, ausgesprochene Änderungskündigung, nachdem die von ihr betreuten Kindergärten coronabedingt geschlossen wurden. Der Arbeitgeber beantragte Anfang April 2020 Kurzarbeitergeld, welches auch genehmigt wurde. Die Mitarbeiterin verweigerte dennoch, die mit einer dreiwöchigen Vorlauffrist versehene Vereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit zu unterzeichnen.
Daraufhin sprach der Arbeitgeber eine fristlose, hilfsweise ordentliche Änderungskündigung aus, gegen welche die Klägerin vor Gericht schritt, da die Kündigung sozial ungerechtfertigt sei. Der Arbeitgeber trug vor, dass ihm mangels Arbeit kein milderes Mittel zur Verfügung stand.
Änderungskündigung in erster Instanz zulässig
Das Arbeitsgericht Stuttgart erklärte die fristlose Änderungskündigung für wirksam, da aufgrund des erheblichen Arbeitsausfalls ein dringendes betriebliches Erfordernis vorgelegen habe, somit ein wichtiger Grund gegeben war. Denn, so das Gericht, der Arbeitgeber müsse sich in jedem Fall an die ordentlichen Kündigungsfristen halten, wäre die Einführung von Kurzarbeit gerade bei längeren Kündigungsfristen einzelner Mitarbeiter, die sich der Einführung verwehren, aufgrund des drohenden Zeitablaufs praktisch unmöglich gemacht, obwohl die Kurzarbeit ja gerade das Ziel verfolgt, einen Arbeitsplatzabbau zu verhindern. Weiterhin hatte der Arbeitgeber eine angemessen Vorlauffrist sowie die zeitliche Begrenzung der Kurzarbeit in Aussicht gestellt. Damit sei auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt.
Die Voraussetzungen aus Sicht des Gerichts waren somit:
- eine ausreichend lange Ankündigungsfrist
- das Vorliegen der Voraussetzungen zur Gewährung von Kurzarbeitergeld
- der zeitlichen Begrenzung der möglichen Einführung von Kurzarbeit sowie
- das Nichtvorhandensein milderer Mittel als der Änderungskündigung.
AGA-Expertentipp: Zu bedenken geben wir, dass es hierzu bis dato an höchstrichterlicher Rechtsprechung fehlt, die weiteren Instanzen, aber auch andere Arbeitsgerichte daher durchaus anders entscheiden können.
— Kay Gröger —
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ZUM AUTOR
Rechtsanwalt Kay Gröger
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