Im betreffenden Fall bejahte das BAG die Zweifel an der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) und entschied, dass der Arbeitgeber für den Zeitraum der angezeigten Arbeitsunfähigkeit keine Entgeltfortzahlung zu leisten hatte. Dem Urteil folgten zahlreiche weitere der lokalen Arbeits- oder Landesarbeitsgerichte.
Da die Konstellationen selten exakt deckungsgleich sind, müssen die Arbeitsgerichte stets eine Einzelfallentscheidung treffen. So hatte das BAG am 13. Dezember 2023 erneut über einen ähnlichen Sachverhalt zu entscheiden. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte sich der Arbeitnehmer zunächst für eine Woche mit einem Atemwegsinfekt krankschreiben lassen und erst nach Eingang der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beim Arbeitgeber wurde die Kündigung (durch den Arbeitgeber) ausgesprochen. Sodann – nach Zugang der Kündigung – folgten jedoch zwei weitere Krankmeldungen, die dem Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Kündigungsfrist eine Arbeitsunfähigkeit attestierten. Direkt am Tag danach, an einem Dienstag, trat der Arbeitnehmer eine neue Position an. Der Arbeitgeber stellte für den gesamten Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit die Entgeltfortzahlung ein.
Das BAG gab dem Arbeitnehmer hinsichtlich seiner Klage auf Entgeltfortzahlung in geringem Umfang recht. Es kam zu dem Schluss, dass der Beweiswert der ersten Krankschreibung nicht erschüttert sei, da diese noch vor Zugang der Kündigung eingegangen sei und der Arbeitnehmer nicht nachweisbar schon vorher die Kündigung erwartet hatte. Daher stehe ihm für den Zeitraum der ersten AU-Bescheinigung die Entgeltfortzahlung zu. Allerdings sind beim Arbeitgeber hinsichtlich der beiden nachfolgenden Bescheinigungen zu Recht Zweifel entstanden. Diese sind insbesondere durch das Ende der AU-Bescheinigung an einem Montag als letztem Tag der Kündigungsfrist und der Aufnahme einer neuen Arbeitstätigkeit am direkt folgenden Dienstag begründet. Daher muss der Arbeitnehmer für diesen Zeitraum seine Arbeitsunfähigkeit anderweitig nachweisen – zum Beispiel durch Entbindung des Arztes von der Schweigepflicht. Ob der Arbeitnehmer anderweitige Beweise anführt, hat nunmehr erneut das Landesarbeitsgericht zu beurteilen.
— Lisa Aepler —
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Rechtsanwältin Lisa Aepler
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