Das 2017 in Kraft getretene Entgelttransparenzgesetz sieht vor, dass für gleiche oder für gleichwertige Arbeit wegen des Geschlechts kein geringeres Entgelt vereinbart oder gezahlt werden darf als bei einer oder einem Beschäftigten des anderen Geschlechts. Einen individuellen Auskunftsanspruch haben Beschäftigte von Unternehmen mit regelmäßig mehr als 200 Beschäftigten. Die Pflicht zur Prüfung der Entgeltgleichheit gilt für Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten.
In dem entschiedenen Fall hatte sich das Unternehmen darauf berufen, der Bewerber habe das bessere Gehalt ausgehandelt und man habe befürchtet, dass es ansonsten nicht zum Vertragsschluss gekommen wäre. Man habe keineswegs „wegen des Geschlechts“, sondern wegen individueller Gehaltsverhandlungen ein anderes Gehalt bezahlt. Dies allein könne, so das BAG, jedoch nicht die Vermutung entkräften, es handele sich eben doch um eine geschlechtsspezifische Schlechterstellung. Um diese Vermutung zu entkräften, habe das Unternehmen mehr objektive Erwägungen darlegen müssen.
So könne etwa eine bessere Qualifikation geeignet sein, die Vermutung der geschlechtsbezogenen Benachteiligung zu widerlegen, wozu neben der fachspezifischen Ausbildung immer auch eine einschlägige Berufserfahrung gerechnet werden könne. Auch könne das höhere Entgelt mit der aktuellen Lage auf dem Arbeitsmarkt und einem Fachkräftemangel begründet werden. Wo hier die Grenze in dem jetzt entschiedenen Fall liegt, ließ das Gericht allerdings offen.
Nach der kürzlich erfolgten Veröffentlichung der ausführlichen Begründung wird das Urteil sicherlich für einige Unruhe in den Betrieben sorgen, sogar erste Forderungsschreiben, etwa über die Gewerkschaften, gehen bereits ein.
Dabei ist klarzustellen, dass auch künftig das Entgelt mit Bewerbern sehr wohl individuell ausgehandelt werden kann. Gründe, die zu einer unterschiedlichen Bezahlung führen, sollten aber gut dokumentiert werden und sich an sachgerechten Argumenten orientieren. Eine unterschiedliche Verhandlungsstrategie der Bewerberin bzw. des Bewerbers als hinreichenden Sachgrund anzusehen, ist spätestens mit der aufgezeigten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes jedoch hinfällig geworden.
— Philipp Neddermeyer —
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ZUM AUTOR
Rechtsanwalt Philipp Neddermeyer,
Geschäftsführer Landesgruppen Niedersachsen und Sachsen-Anhalt
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