Business-on.de: In welcher Branche sind Sie tätig?
Hauke Thun: Ich arbeite seit mehr als 25 Jahren im Projektmanagement. 2003 habe ich die heutige House of PM GmbH gegründet, die auf Dienstleistungen, Beratung und Qualifizierung in allen Bereichen professionellen Projektmanagements spezialisiert ist. Wir unterscheiden in unserer Arbeit zwischen inhaltlicher und struktureller Projektsteuerung. Daher ist es uns möglich, branchenübergreifend in Projekten tätig zu sein.
Schwerpunkte haben wir natürlich trotzdem. Die liegen in den Branchen IT/Telekommunikation, Medizintechnik, Energiewirtschaft, Druck- und Verlagshäuser, Maschinenbau, öffentliche Verwaltung und Handel. Ich selbst arbeite beispielsweise gerade in einem IT-Infrastrukturprogramm in der IT/Telekommunikation und in einem Produktentwicklungsprojekt in der Medizintechnik. Das ist der Reiz, sich mit vielen verschiedenen Aufgabenstellungen auseinanderzusetzen und beispielsweise auch mal ein Projekt in der Kulturbranche zu begleiten: die Inbetriebnahme der Elbphilharmonie. Also ganz unterschiedliche Branchen.
Business-on.de: Welche ist aus Ihrer Sicht zurzeit die spannendste Entwicklung in Ihrem geschäftlichen Umfeld?
Hauke Thun: Also im Augenblick ist wohl das Spannendste, dass wir alle als Gesellschaft genötigt werden, durch die Situation mit der Covid-Pandemie unsere Arbeitsweise definitiv verändern zu müssen, um wirtschaftlich nicht komplett auf der Strecke zu bleiben.
Für mich persönlich ist es jetzt die vierte gewaltige Krise, die ich erlebe. Das Platzen der Internetblase, die Weltwirtschaftskrise 2008, dann 2012 die Euro-Krise, wo es auch wieder wirtschaftlich runterging. Und jetzt eben die Pandemie. Ich beobachte, dass wir als House-of-PM-Team inzwischen einen Reifegrad erreicht haben, mit solchen Situationen aufgrund der Erfahrung über die letzten 20 Jahre umzugehen: gelassener, aber nicht nachlässig.
Dass das geht, haben wir in den letzten Monaten sehr gut unter Beweis gestellt. Wir haben nach und nach unsere Routinen umgestellt, neue Werkzeuge zur Remotearbeit eingeführt und arbeiten in unseren Projekten jetzt weitestgehend aus dem Homeoffice. Das haben wir innerhalb kurzer Zeit aus dem Boden gestampft. Außerdem haben wir eine Webinarserie aufgesetzt, in der wir auch andere an unseren Erfahrungen teilhaben lassen.
Das ist das, was ich spannend finde: Wir setzen uns immer wieder damit auseinander, wo wir aktuell stehen, was wir machen und wie wir es machen müssen, um hier gemeinsam zum Erfolg zu kommen. Da ist auch eine starke Zusammengehörigkeit zu spüren: Wir ziehen als Team an einem Strang und unterstützen uns gegenseitig. Das mag abgedroschen klingen, aber man kann diesen Leitgedanken tatsächlich mit Leben füllen.
Business-on.de: Wie wirkt sich die Remotearbeit denn auf das Business aus? Gerade Projektgeschäft ist ja sehr stark durch die Kommunikation, häufig durch das Vor-Ort-Arbeiten geprägt.
Hauke Thun: Wir machen uns bewusster, dass die technische Kommunikation uns ermöglicht, viele Dinge anders weiterzumachen, also auch Projekte, Meetings usw. Doch durch diese rein technische Kommunikation verlieren wir Wahrnehmungskanäle. Deshalb achten wir noch stärker darauf, auch das persönliche Gespräch zu suchen und die direkte Ansprache, auch wenn es vielleicht zeitlich eng wird und manchmal nur schwierig reinpasst. Dadurch kommt man in den Geschäftskontakten jetzt auch mal wieder ein bisschen zurück zu dem persönlichen und menschlichen Gespräch. Denn das trifft im Augenblick die ganze Gesellschaft und die gesamte Arbeitswelt.
Business-on.de: Leidet denn die Motivation oder der „Drive“ für die Projekte dadurch, dass die Leute jetzt im Homeoffice arbeiten?
Hauke Thun: Nein, wenn man wirklich eine Aufgabe hat und weiß, da muss was zum bestimmten Zeitpunkt passieren, dann passiert das auch. Wichtig ist, alle an Bord zu kriegen und wenn es irgendwo hakt, auf die Menschen direkt zuzugehen und konkret darüber zu sprechen.
Business-on.de: Teilweise wird beobachtet, dass Projekte jetzt schneller abgewickelt werden, weil die Leute fokussiert an den einzelnen Aufgaben sitzen und stark durchgetaktet arbeiten. Ist das etwas, was Sie auch wahrnehmen?
Hauke Thun: Es läuft flüssiger. Wenn Sie sich anschauen, was wir bei uns in der Kürze der Zeit auf die Beine gestellt haben – zum Beispiel mit unserem „Focus Day“. Hier arbeiten wir in kurzen Sessions intensiv an gemeinsamen Themen. Wir machen da auf einmal einen ganz anderen Durchsatz bei der Bearbeitung. Doch wir zahlen auch einen Preis dafür. Wir leben im Grunde von der sozialen Substanz, die wir als Team geschaffen haben. Jetzt treffen wir uns nicht mehr, essen nicht mehr gemeinsam, erleben uns nicht mehr als Team in persönlicher Atmosphäre. Das wird am Ende des Tages in Effektivität und Effizienz umgemünzt, macht aber auch eine Kultur kaputt.
Business-on.de: Welche ist die größte Herausforderung in Ihrem Unternehmen in den kommenden Monaten?
Hauke Thun: Wir müssen zwar einen klaren Kopf behalten und weiter rational entscheiden. Dabei darf aber das Emotionale nicht auf der Strecke bleiben. Denn das rein Rationale macht auch etwas mit einer Gesellschaft. Viel Menschen werden „aggressiver“ bzw. dünnhäutiger und fahren dadurch eher mal aus der Haut. Bei aller Rationalität dürfen wir nicht vergessen, dass wir alle Menschen sind – speziell, wenn es um den Lockdown im privaten Bereich geht.
Business-on.de: Wie verändert die Digitalisierung Ihr Unternehmen bzw. Ihre Branche?
Hauke Thun: Unter Digitalisierung im Unternehmen verstehe ich vor allem, dass der Managementstil sich mehr in Richtung agile Werte und Prinzipien entwickelt. Und da wird meines Erachtens durch die Transparenz, aber ebenfalls durch die Vergabe von Verantwortung oder durch gelebte Eigenverantwortung noch mal klarer, dass am Ende von allen auch etwas eingefordert wird. Die Digitalisierung bringt also nicht nur Transparenz, sondern damit verbunden auch eine höhere Verbindlichkeit mit sich.
Business-on.de: Haben Sie einen Tipp für erfolgreiche Unternehmensführung?
Hauke Thun: Ja: klare Ziele stecken, diese gemeinsam verabschieden und allen zugänglich machen. Außerdem eine gemeinsame und unmissverständliche Zuweisung von Verantwortlichkeiten. Dann kann man am Ende auch etwas einfordern. Wichtig ist dann, auf die Fähigkeiten der Mitarbeiter zu vertrauen und sie im gesteckten Rahmen nach den vereinbarten Spielregeln machen zu lassen. Dazu gehört auch, als Unternehmer das Lernen aus Erfahrungen und eine positive Fehlerkultur zuzulassen.
Business-on.de: Welcher ist Ihr Lieblingsort in Hamburg und warum?
Hauke Thun: Besonders toll finde ich die Strandperle mit dem Blick auf den Containerhafen. Ein reizvoller Gegensatz. Einerseits spürt man den pulsierenden Hafen, die Kraft der Elbe und wird sich dessen bewusst, dass es ein Industriegebiet an einem Fluss mit einer respektablen Strömung ist. Andererseits kann man da am Abend in Ruhe sitzen, mit Freunden ein Gespräch führen, aufs Wasser gucken, den Gedanken ein bisschen freien Raum geben und das alles genießen.
Business-on.de: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Thun.
— Das Interview führte Katja Tiedek —
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HAMBURGER BUSINESSKÖPFE
In dieser Interview-Reihe sprechen Hamburger UnternehmerInnen und EntscheiderInnen darüber, was sie mit der Hansestadt verbindet und wie sie ihr berufliches Umfeld erleben.
Bildquellen
- Hauke Thun_House of PM: House of PM