… war früher alles klar. Heute kann man sehr gespannt sein, ob Postcon, DHL; DPD, GLS, Hermes, UPS oder sonst wer vor der Tür steht. Ohne Zusteller kann man nicht mehr leben.
Jedenfalls nicht, wenn man am gesellschaftlichen Prozess der Güterzirkulation teilhaben will. Dabei macht man sich nicht viel Gedanken darum, wie komplex und teilweise unüberschaubar der Vorgang der Zustellung in vielerlei Hinsicht ist. Und er wirft viele Fragen in moralphilosophischer, soziologischer, nachbarschaftlicher und nervlicher Hinsicht auf.
Von allen Zustellern der liebste ist mir der Zeitungszusteller. Dabei kenne ich ihn oder sie nicht. Zu nachtschlafener Zeit steckt mir dieser nette Mensch zuverlässig Tag für Tag zwei Zeitungen in den Briefkasten im Hausflur. Das kann er, weil er als Vertrauensperson einen Haustürschlüssel hat.
Manchmal schreibt er uns sogar zu Weihnachten und ich schreibe ihm zurück. Auch der Postbote von der Deutschen Post ist – außer wenn es sich um eine Vertretung handelt – im Besitz eines Haustürschlüssels. Meist schellt er trotzdem, weil es einfach schneller geht, wenn ich ihm aufmache. Die Dame von Postcon hat leider keinen Schlüssel. Das ist bei diesem Zustelldienst nicht möglich, wurde mir von höherer Stelle beschieden. Deshalb klingelt sie und ich öffne.
Ich öffne auch, wenn DHL, DPD, GLS, Hermes oder UPS bei mir klingeln. An manchen Tagen bringe ich es auf bis zu sechs Begegnungen. Übrigens sind die Paketzusteller alle männlich. Liegt das daran, dass Frauen es einfach nicht bringen würden, die großvolumigen Fahrzeuge überall zu parken?
Die meisten der gelieferten Päckchen und Pakete sind gar nicht für mich. Zu Stoßzeiten und vor Weihnachten bringe ich es auf bis zu sechs Pakete und Päckchen am Tag. Die werden dann abends oder am nächsten Tag abgeholt. So kommt es zu nachbarschaftlichen Kontakten.
Manchmal bin ich auch nicht da, weil ich Kundentermine habe oder Interviews führe und sonst keiner im Hause ist. Dann finde ich einen Zettel unter der Haustür oder auf der Treppe, dass ich mir mein Päckchen oder Paket da und dort abholen könne. Ich bin schon froh, wenn der Abholshop in der Nähe ist, denn alles ist besser als sich an der Post am Hauptbahnhof in die Warteschlange einreihen zu müssen.
Wenn der Postschimmel wiehert
Irgendwie habe ich gedacht, dass ich aufgrund meines tadellosen Verhaltens einen besonders guten Draht zur Post hätte und DHL eigentlich wissen müsste, wie kooperativ ich bin. Als ich aber vor einigen Monaten ein Päckchen aus dem Urlaub an mich selbst aufgab – es handelte sich um eine historische Schindel des Meissener Doms aus dem 17. Jahrhundert, die ich schlecht in mein Kajak packen konnte – wartete ich wochenlang vergebens.
Die Eingabe meiner DHL ID-Nummer ergab, dass mein Päckchen ein bisschen hin und her geschickt worden war und nun in Krefeld lag. Auf meine telefonische Nachfrage bekam ich die Auskunft, dass das Päckchen leider beschädigt sei. Man müsse den Schaden fotografieren und ich solle ein Nachforschungsformular ausfüllen. Mein Einwand, ich wisse doch, wo es sei und sie könnten es mir einfach schicken und ich würde nachsehen, was von der Schindel übrig sei, wurde abgelehnt.
Ich blieb cool, wartete weitere Wochen, bis die Fotos gemacht und sie mir vielleicht doch das Päckchen zuschicken würden. Zwischenzeitlich hatte ich mir in Meissen eine weitere Schindel bestellt, die postwendend einige Tage später eintraf. Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus, füllte das Formular aus und weitere Wochen später erreichte mich ein leicht lädiertes Paket mit einer intakten Schindel darin. Da macht man doch gerne die Tür auf, wenn es klingelt.
Susan Tuchel