Eine neu beginnende Beziehung ist wie „neue Schuhe kaufen“ – wobei Beziehungen in der Regel natürlich nicht gekauft werden. Auch findet man sie eher selten in Schuhgeschäften. Doch ansonsten lassen sich durchaus Parallelen entdecken, wobei es keine Rolle spielt, ob es sich hierbei um ein Liebesverhältnis handelt, um Freundschaften, den Nachbarn von nebenan, berufliche Kontakte oder andere Formen des zwischenmenschlichen Miteinanders.
Da gibt es Schuhe, die einem auf den ersten Blick hin gefallen. Noch bevor man sie anprobiert hat ist klar: Die oder keine. Und sie passen tatsächlich wie angegossen – entweder sofort oder nach einer sehr kurzen Einlaufphase. Danach hat man dann über viele Jahre hinweg seine Freude an ihnen.
Doch das ist eher der Idealfall. Häufig verursachen neue Schuhe zunächst Blasen und unangenehme Druckstellen – vielleicht nicht in einem dramatischen Ausmaß, aber schon so, dass man etwas Geduld aufbringen muss. Füße und Schuhe passen sich erst allmählich an. Doch wenn alles gut läuft, kann man im wahrsten Sinne des Wortes ein langes Stück des Weges gemeinsam gehen.
Sollte das allerdings nicht funktionieren und auch nicht die bewerten Tipps aus Omas Erfahrungsschatz oder die fachmännische Hilfe eines Schusters weiterhelfen, kommt es schneller zur Trennung, als man gedacht hat. Dann landen sie in der hintersten Ecke des Regals, werden weiterverkauft oder weggeworfen. So kann sich die erste Euphorie auch rasch in tiefste Enttäuschung umkehren.
Ebenso ärgerlich und frustrierend ist es, wenn das neu gekaufte Paar Schuhe schon nach kurzer Zeit kaputtgeht. Es hat bei Weitem nicht das gehalten, was es anfangs versprochen hatte. Nun ist der Ärger groß – über die Schuhe, aber auch über sich selber, da man sich von dem ersten Eindruck hat blenden lassen.
Auch kann es zu regelrechten Zweckgemeinschaften kommen. Füße und Schuhe (oder der persönliche Geschmack und die Schuhe) passen nicht hundertprozentig zusammen, aber aufgrund von äußeren Anforderungen muss man irgendwie miteinander klarkommen. Besonders bei beruflichen Vorgaben hinsichtlich des Schuhwerks ist dies zu beobachten. Das kann durchaus gut gehen. Doch kommt es bei vielen solcher Verbindungen auch immer mal wieder zu Reibungen und Reizungen.
Es kann aber auch genau andersherum laufen: Ein Kauf aus der Not heraus. Man ist nicht wirklich überzeugt, doch es werden nun mal dringend neue Schuhe benötigt. Irgendwann merkt man dann, wie gut diese neuen Treter sind, und man lernt sie zu schätzen. Vielleicht ist der Gang mit ihnen leichter, vielleicht erweisen sie sich als unerwartet bequem oder aber die Füße riechen bei weitem nicht so streng, wie sie es bei dem Gebrauch von anderen Schuhen taten. – Die zunächst eher widerwillig erworbene Neuanschaffung wächst einem immer mehr ans Herz.
Dann gibt es noch die Sammler. Für sie ist der eigentliche Nutzen von Schuhen gar nicht so wichtig. Bei ihnen stehen eher der Besitz, die Anzahl und die Vielfalt im Vordergrund.
Allein über diesen Typus von Schuhkäufern könnte man lange Abhandlungen schreiben. Manche sammeln nur bestimmte Marken, andere bestimmte Modelle, anderen geht es ausschließlich um die Menge, und wiederum andere sammeln nur aus der Befürchtung heraus, sie könnten einmal nicht das passende Paar Schuhe für einen bestimmten Anlass oder ein bestimmtes Outfit haben.
Die einen pflegen ihre Sammelstücke, stellen sie aus und schmücken sich mit ihnen. Andere dagegen lagern ihre Exemplare in einfachen Schränken oder Regalen und holen sie nur bei Bedarf hervor.
Die Haltbarkeit der neuen Schuhe hängt von deren Qualität aber auch der Pflege ab. Es gibt sehr robuste Modelle, die mit wenig Pflege auskommen. Andere hingegen benötigen viel Aufwand, um sie ansehnlich und intakt zu halten.
Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass man nicht immer Schuhe und menschliche Themen miteinander vergleichen kann. So soll es zum Beispiel die These geben, nach der man etwas über den Charakter eines Menschen aussagen kann, wenn man sieht, welche Schuhe er trägt und in welchem Zustand diese sind. Mit solch einem Vergleich wäre ich persönlich sehr vorsichtig. Denn dann müssten manche Menschen, die ich kenne, barfuß laufen.
–Andreas Ballnus —
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ZUM AUTOR
Andreas Ballnus
Jahrgang ’63, Liedermacher und Autor. Unter dem Nick „anbas“ hat er in dem Literaturforum „Leselupe.de“ eine Vielzahl seiner Texte veröffentlicht. Er lebt in Hamburg und verdient sein Geld als Sozialarbeiter im öffentlichen Dienst. Weitere Informationen: andreasballnus.de.tl
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