Der Sommer ist in vollem Gange – zugleich die Hoch-Zeit für stechfreudige Sechsbeiner aller Art.
Ich weiß zwar nicht, ob Blut wirklich süß sein kann. Dass mich seit jeher Flug-Insekten aller Art mit Vorliebe, mit Nachdruck und mit Stachel heimsuchen, soll aber angeblich an besagtem süßem Blut liegen.
Ob beim Rasenmähen, auf dem Bolzplatz oder nur bei einer Wanderung durch den Tann: Ich werde gestochen, was das Zeug hält. Andere, die direkt daneben laufen, indes nicht.
Schon als Kind war es die größte Strafe, mich in die Heidelbeeren zu schicken (die gab es damals noch im Wald und nicht auf einer Plantage). Während die anderen fröhlich Blaubeeren sammelten, musste ich mich Myriaden und Hektakomben von Mücken und Fliegen erwehren. Armrudernd und wild um mich schlagend kämpfte ich mich durchs Unterholz. Sah von weitem vielleicht lustig aus, war es aber nicht. Und die Kanne, mit der die Beeren transportiert werden sollten, blieb weitestgehend leer.
Ganz schlimm erwischte es mich dann im Schwäbischen. Nicht wegen der Sprache, sondern wegen der Bremsen.
Der Familienausflug an einem sonst herrlichen Sommertag führte einen Berg hinauf und an einer Wiese entlang, auf der mehr oder weniger gelangweilte Pferde standen. Als Insektenkundiger wusste ich: Wo Pferde stehen, fliegen auch Bremsen. Kaum gedacht, schon waren sie da: Dicke Bremsen, die in einer Art Formationsflug auf mich zukamen. Ich lief, was die Lunge hergab, den Berg hinauf, wild fuchtelnd, stampfend und lauthals schimpfend – und belächelt von den übrigen Wanderern, die insekten- und damit sorgenfrei des Weges kamen.
Als ich auf dem Berg ankam, zählte ich die roten Quaddeln. Sieben Mal hatten die fiesen Tierchen zugebissen.
Kleiner Trost: Niemand war den Hügel so schnell hinauf gerannt wie ich. Und ich hatte eine neue Trendsportart erfunden: Insektentanzen.
Der nächste Schritt wäre nun, das Ganze als Formationstanz zu installieren. Menschen mit süßem Blut soll es ja auch anderswo geben…
Wolfram Lotze