Zum Auftakt warb AGA-Präsident Dr. Hans Fabian Kruse eindringlich für den Freihandel, um die Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz Europas zu stärken: „Wir haben erlebt, was passiert, wenn wir uns von einem Land abhängig machen. Der Druck im Kessel ist gestiegen. Deshalb müssen wir uns mehr Partner suchen und unsere Lieferketten diversifizieren“, sagte er und wandte den Blick nach Südamerika. China werde seinen Fußabdruck in Süd- und Lateinamerika durch Handelsabkommen immer weiter vergrößern. „Wenn wir Europäer Mercosur verspielen, bleiben wir geoökonomisch in dieser Region auf der Strecke“, warnte Kruse. Die Ampel-Koalition nahm der AGA-Präsident zudem in die Pflicht, ihren Worten Taten folgen zu lassen und ein neues nordatlantisches Freihandelsabkommen mit den USA anzugehen.

AGA-Präsident Dr. Hans Fabian Kruse. Foto: Ulrich Perrey
Das „deutsche Erfolgsmodell der Nachkriegszeit“ hat für Prof. Dr. Thomas Straubhaar ausgedient: „Mit billiger Energie aus Russland haben wir Hightech-Produkte hergestellt und sie mit attraktiver Marge nach China verkauft. Und als Trittbrettfahrer haben wir auch noch von einem militärischen Schutzschild profitiert, den primär die USA finanziert haben. Diese Zeiten sind vorbei“, urteilte der Ökonom. Ziel eines neuen „Deutschlandmodells“ müsse die Transformation von einer Überflussgesellschaft zu einer Knappheitsökonomie sein. „Mit nationalen Alleingängen funktioniert das aber nicht. Wenn Deutschland im Wettstreit um Macht und Stärke zwischen USA und China nicht als schwacher Außenseiter überrollt werden soll, brauchen wir die Unterstützung europäischer Verbündeter. Nur so können wir unsere Interessen auf dem Parkett der Weltpolitik durchzusetzen.“
Die neue Globalisierung sei, wie Straubhaar darlegte, nicht mehr die Suche nach den billigsten Lösungen, um etwas zu produzieren, sondern die Suche nach parallelen Lieferketten, die auch Redundanzkosten verursachten. In Europa zu produzieren, um unabhängiger zu sein, sorge für steigende Kosten und steigende Preise. Aber: „Nicht alles, wo Teuerung draufsteht, ist Inflation drin“. Inflation bedeute, dass die Nachfrage größer als das Angebot ist. Zur Zeitenwende gehöre dazu, dass das Leben teurer werde. Der Ökonom warnte davor, über die Politik Preise zurückzusetzen. Vielmehr sei ein Weg, mit Wachstum auf die Inflation zu reagieren, um aus der Krise rauszukommen. Gemeint sei „nicht das alte Wachstum, sondern ein neues smartes, grünes Wachstum“. „Den größten Beitrag, den wir leisten können, ist nicht Verzicht, sondern Technologien zu entwickeln, die 8 Milliarden Menschen einen Lebensstandard ermöglichen, damit das Leben lebenswert bleibt“.

Podiumsdiskussion der AGA-Jahrestagung 2023: (v. l.) Senator Dr. Andreas Dressel, Zoë Andreae, Dr. Hans Fabian Kruse, Jana Werner, Helen Hagge und Prof. Dr. Thomas Straubhaar. Foto: Ulrich Perrey
Im Anschluss an die Keynote nahmen Dr. Hans Fabian Kruse und Prof. Dr. Thomas Straubhaar an einem Podiumstalk mit Hamburgs Finanzsenator Dr. Andreas Dressel, der Startup-Gründerin Helen Hagge, Hyli (Plattform für digitale Vorsorge- und Nachlass-Organisation), und der Familienunternehmerin Zoë Andreae, Lecare (Softwarelösungen für Juristen) teil. Die Teilnehmenden diskutierten, moderiert von der Journalistin Jana Werner, unter anderem über Digitalisierung und Bürokratie(abbau).
Finanzsenator Dressel blickte für die norddeutsche Wirtschaft optimistisch auf das Jahr: „Wir sind besser durch Corona gekommen als gedacht. Jetzt geht es darum, Worst-Case-Szenarien in der Energiekrise zu verhindern und aktuelle Herausforderungen wie gestörte Lieferketten und Inflation in den Griff zu bekommen. Trotz unsicherer außenpolitischer Lage gibt es Indikatoren, die uns zeigen: Die norddeutsche Wirtschaft kann den Aufholpfad nach Corona weiter fortsetzen und den Widrigkeiten trotzen.“
Nach dem offiziellen Teil nutzten die Anwesenden die Zeit für gute Gespräche.
Bildquellen
- Dr. Hans Fabian Kruse: Ulrich Perrey
- AGA-Jahrestagung 2023: Ulrich Perrey
- Prof. Dr. Thomas Straubhaar: Christian Ströder
