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Gesellschaft & Medien

Dr. Stefan Donath: „IMPULS hat die Amateurmusik aus dem Corona-Tief geholt und gestärkt“

Die Pandemie hat bei vielen Laienchören und -orchestern zu gravierendem Mitgliederschwund geführt. Der Geschäftsführer des Bundesmusikverbands Chor & Orchester e.V., Dr. Stefan Donath, über die bisherigen Erfolge des Förderprogramms IMPULS und wer jetzt noch von den Fördermitteln profitieren kann.

Dr. Stefan Donath, Geschäftsführer Bundesmusikverband Chor & Orchester e.V. Foto: BMCO

Was Amateurmusikensembles über die aktuelle IMPULS-Förderung wissen sollten …

  • Die Antragsfrist für Fördergelder läuft noch bis zum 31. Dezember 2022.
  • Förderfähig sind Musikprojekte, die bis zum 30. Juni 2023 abgeschlossen werden.
  • Gefördert werden Projekte aus vier Modulen – zum Beispiel kreative Projekte für einen Neustart. Auch Aktionen etwa zur Mitgliedergewinnung, Strukturstärkung, Digitalisierung und Weiterbildung können finanziell unterstützt werden. Förderung gibt es unter bestimmten Bedingungen auch für die Anschaffung mobiler Luftfilteranlagen für Probenräume.
  • Jedes Fördermitglied hat die Möglichkeit, zweimal eine Impulsförderung zu beantragen.
  • Förderanträge können laufend gestellt werden.
  • Digitale Infoveranstaltungen finden am 24. November sowie am 8. Dezember 2022 jeweils von 17.30 bis 18.30 Uhr statt. Anmeldung unter bundesmusikverband.de/beratung.
  • Weitere Informationen zum Förderprogramm IMPULS: impuls.bundesmusikverband.de

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Business-on.de: Herr Dr. Donath, welche Bedeutung kommt der Amateurmusik in der öffentlichen Wahrnehmung in Deutschland zu?

Dr. Stefan Donath: Die Amateurmusik in Deutschland wird definitiv unterschätzt. Das liegt am Begriff des Amateurs, den wir immer mit nicht-professionell oder amateurhaft in Verbindung bringen. Dabei sind Amateure in erster Linie Menschen, die lieben, was sie tun. Im Bereich der Musik können Menschen in einem Chor singen, in einem Orchester spielen, ein Musikinstrument erlernen, ohne damit zwangsläufig Geld verdienen zu müssen. Das ist ein großes Privileg.

Allein die Zahlen sprechen für sich: In Deutschland machen 14,3 Millionen Menschen in ihrer Freizeit Musik. Die Amateurmusik ist damit die größte Kulturbewegung in Deutschland. Mit täglich über 1.400 Konzerten trägt sie ganz wesentlich zur kulturellen Grundversorgung unseres Landes bei.

Business-on.de: Welche Rolle spielt der BMCO in diesem Musikbereich?

Dr. Stefan Donath: Der Bundesmusikverband Chor & Orchester, kurz BMCO, ist der Dachverband der Amateurmusik in Deutschland. Wir vertreten die Interessen von 21 bundesweit tätigen weltlichen und kirchlichen Chor- und Orchesterverbänden mit insgesamt circa 100.000 Ensembles. Ganz konkret wirken wir in Gesprächen mit Politikschaffenden etwa darauf ein, dass sich die notwendigen Rahmenbedingungen für gemeinsames Musizieren verbessern.

Eine zentrale Frage ist dabei immer: Wie können wir das Ehrenamt entlasten, auf dessen Schulter das vereinsgetragene Musizieren in Deutschland vielfach fußt? Wie sorgen wir für ausreichend Probeplätze? Wie müssen wir im Zuge der aktuellen Energiekrise auch Vereine unterstützen? Dazu setzen wir auch Förderprogramme um, die es Musikensembles erleichtern sollen, Konzerte zu organisieren. Wir veranstalten mit den Tagen der Chor- und Orchestermusik einmal jährlich selbst ein großes Musikfestival, das die öffentliche Wahrnehmung der Amateurmusik stärkt. Oder nehmen Sie die Verleihung der sogenannten Zelter- und PRO-MUSICA-Plaketten, die der Bundespräsident jährlich an seit 100 Jahren aktive Chöre und Orchestervereinigungen verleiht. Sie sehen, da passiert ganz schön viel.

Business-on.de: Wie sehr hat die Corona-Pandemie Gesangsvereine, Instrumentalgruppen und Co. in Existenznot oder deren Aktivitäten gar zum Erliegen gebracht?

Dr. Stefan Donath: Die Corona-Pandemie war besonders für den Musikbereich sehr hart. Und speziell im Amateurmusikbereich kamen Proben und Konzerte im Grunde über Monate gänzlich zum Erliegen. Uns erreichen immer wieder Rückmeldungen aus unseren Mitgliedsverbänden, die von einem Mitgliederschwund nach der Corona-Pandemie von mindestens zehn Prozent sprechen, im Kinder- und Jugendbereich sind durch die Einschränkungen und den Lockdown im Grunde zwei komplette Jahrgänge an Nachwuchsarbeit ausgefallen. Viele Kinder und Jugendliche haben sich während der Pandemie anderen Freizeitbeschäftigungen zugewendet und kommen nun nicht zurück. Es gibt dort die Befürchtung, dass wir sogar von einem Rückgang von 30 Prozent ausgehen müssen.

Business-on.de: Gibt es bei den Auswirkungen Unterschiede zwischen der Amateurmusik in ländlichen Räumen und in städtischen Ballungszentren?

Dr. Stefan Donath: Die Unterschiede sind struktureller Art. Denn in den großen Metropolenregionen finden Sie durch staatliche geförderte Einrichtungen wie Theater, Opern oder Museen ein kulturelles Angebot vor, dass es in ländlichen Räumen in dieser Dichte vielfach nicht gibt. Der Musikverein auf dem Dorf trägt in seiner Bedeutung als Kulturakteur, Ausbilder, Vernetzer und Gemeinschaftsgarant daher meist viel mehr zum sozialen Zusammenhalt bei. Ich finde aber, dass wir Stadt und Land nicht gegeneinander ausspielen sollten, denn auch in vielen Städten gibt es mittlerweile strukturschwache Viertel, in denen kultureller Handlungsbedarf herrscht. Hier bietet sich die Amateurmusik als Partner ohne Kontaktscheue und mit niedrigschwelligen Mitmachangeboten sehr gut an.

Business-on.de: Was steht dem Amateur-Musikleben im kommenden Winter mit einem möglichen Wiederaufleben der Corona-Einschränkungen und angesichts der steigenden Energiepreise bevor?

Dr. Stefan Donath: Wir blicken natürlich mit einiger Sorge auf den kommenden Winter. Die bisher milden Temperaturen dürfen uns da nicht täuschen. Gleichwohl zeugt die Entscheidung, im Wirtschaftsstabilisierungsfonds eine Milliarde Euro für die Kultureinrichtungen vorzusehen, um trotz Strom- und Gaspreisbremse finanzielle Belastungen abzufedern, davon, dass der Erhalt und die gesellschaftspolitische Bedeutung von Kulturangeboten sehr wohl auf der Agenda politischer Entscheidungsträgerinnen und -träger angekommen ist.

Business-on.de: Der Bund hat mit NEUSTART KULTUR weitreichend Hilfe auch für die Amateurmusikszene bereitgestellt. Ein Baustein ist das Förderprogramm IMPULS. Der BMCO setzt dieses Programm um. Wie bewerten Sie die Erfolge des Programms?

Dr. Stefan Donath: IMPULS ist ein absolut erfolgreiches Programm, weil es zweierlei bewirkt hat: Erstens hat die Förderung zielgenau gewirkt: Statt Mitgliederschwund konnten viele Musikvereine durch die geförderten Projekte neue Mitglieder hinzugewinnen. Neue Zielgruppen wurden durch innovative Formen der Ansprache aktiviert. Auch haben die Projekte animiert, neue künstlerische, interaktive Auftritts- und Probenformate auszuprobieren. Dadurch sind neue Perspektiven auf die Musiktraditionen und unser kulturelles Erbe entstanden. IMPULS hat also zur kulturellen Teilhabe, Partizipation und Vielfalt insbesondere in ländlichen Regionen beigetragen. Dadurch konnte der Fortbestand der Amateurmusikensembles auf dem Land gesichert und sogar weiterentwickelt werden.

Zweitens konnten wir als Bundesmusikverband zeigen, dass wir ein so großes Förderprogramm von mehreren zehn Millionen Euro umsetzen können. Das heißt, der Mittelabfluss ist durch uns gewährleistet; wir können das Geld schnell und unbürokratisch an unsere Zielgruppe weiterleiten.

Was mich persönlich darüber hinaus noch begeistert: IMPULS hat den Wissenstransfer über erfolgreiche Projekte innerhalb der Amateurmusikszene ermöglicht, sodass auch über die Projektlaufzeit hinaus zu Nachahmung ermutigt wird. Eine offene Community mit neuen Ideen ist entstanden, die unabhängig von IMPULS fortbesteht. Dadurch ist die Amateurmusikszene in der Öffentlichkeit für politische Entscheidungstragende auf lokaler und regionaler Ebene sowie bundesweit sichtbarer geworden. In Öffentlichkeit und Politik wird mehr und mehr verstanden, dass die Ensembles auf dem Land als zentrale Kulturakteure den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken.

Business-on.de: Das Förderprogramm IMPULS läuft nun aus, der Fördertopf ist jedoch noch immer gut gefüllt. Wie erklären Sie sich das?

Dr. Stefan Donath: Ich denke, dass der Pandemie-Verlauf und die Diskussion über sich möglicherweise wieder verschärfende Einschränkungen zu einer gewissen Zurückhaltung geführt haben. Viele Projekte bedeuten für die Ehrenamtlichen ja zusätzliche Arbeit. In dem Moment, wo nach gefühlten zwei Jahren plötzlich alles wieder möglich schien, sagten uns viele: Jetzt wollen wir einfach wieder singen, einfach wieder zur Orchesterprobe. Der Wunsch nach regulärem Alltag war sehr groß und das Bedürfnis nach zusätzlichen Projektideen und besonders kreativen Musikprojekten eher gering. Viele, die schon einmal eine Förderung erhalten haben, konnten sich nicht ein weiteres Mal bewerben. Das wurde jetzt geändert, sodass wir allen Engagierten mit vielen zusätzlichen Ideen das als eine wichtige Botschaft gern mitgeben: Bitte bewerbt euch noch mal, das ist jetzt in allen NEUSTART-Programmen möglich!

Business-on.de: Was müssen Amateurmusikensembles erbringen, um eine Förderung zu erhalten? Wofür können sie das Fördergeld nutzen?

Dr. Stefan Donath: Es gibt ein paar Rahmenbedingungen zu beachten. Denn antragsberechtigt sind in erster Linie Amateurmusikensembles aus Kommunen in ländlichen Räumen mit maximal 35.000 Einwohnenden, daneben strukturschwache urbane Räume mit mehr als 35.000 Einwohnenden. Auch Kreisverbände, deren Projekt mindestens zehn Ensembles miteinschließt, können sich über ein digitales Antragsverfahren bewerben. Wichtig sind eine Projektidee und ein Finanzplan, also eine Aufstellung von Kosten, die zu erwarten sind. Es gibt zwischen 2.500 und 20.000 Euro pro Ensemble, und sogar bis zu 150.000 Euro für Kreisverbände.

Business-on.de: Was raten Sie Ensembles, die an einer Förderung interessiert sind?

Dr. Stefan Donath: Als Erstes empfehle ich immer, sich alle Infos auf unserer IMPULS-Website impuls.bundesmusikverband.de anzuschauen. Bei Fragen steht unser Team telefonisch oder per E-Mail zur Seite und berät, bespricht Projektideen mit Interessentinnen und Interessenten und überlegt, welche projektkonforme Umsetzung möglich ist. Zusätzlich bieten wir digitale Informationsveranstaltungen an, in denen die wichtigen Schritte bis hin zum Antrag besprochen werden. Es kann eigentlich nichts schiefgehen.

Business-on.de: Herr Dr. Donath, vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg weiterhin bei Ihrem Engagement für die Amateurmusik.

— Das Interview führte Katja Tiedek —

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LESEN SIE AUCH:

Endspurt für Amateurchöre und -orchester:  Noch bis Jahresende Fördermittel aus dem IMPULS-Förderprogramm beantragen!

 

Bildquellen

  • Dr. Stefan Donath, Geschäftsführer Bundesmusikverband Chor & Orchester e.V.: BMCO
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