Das Gericht kam zu der Auffassung, dass ein Widerruf nicht möglich sei. Eine Unwirksamkeit der Aufhebungsvereinbarung kann sich aber ergeben, wenn der Vertrag unter Missachtung des vom Gericht entwickelten Gebots fairen Verhandelns zustande gekommen ist.
Geklagt hatte in der Entscheidung des BAG eine Reinigungskraft, die in ihrer Wohnung mit dem Lebensgefährten der beklagten Arbeitgeberin einen Aufhebungsvertrag geschlossen hatte. Der Vertrag sah die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Abfindung vor. Nach Darstellung der Klägerin war sie an dem Tag krank, Einzelheiten zum Anlass und Ablauf der Vertragsverhandlungen waren aber bis zuletzt umstritten. Später focht sie den Aufhebungsvertrag an und widerrief ihn hilfsweise.
Das BAG hob das klageabweisende Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Niedersachsen auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurück. Das LAG habe allerdings rechtsfehlerfrei erkannt, dass der Widerruf eines arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrags nicht möglich ist. Zwar seien auch Arbeitnehmer Verbraucher, der Gesetzgeber habe arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge aber nicht in den Anwendungsbereich der §§ 312 ff. BGB einbeziehen wollen. Nach den Vorschriften steht Verbrauchern in bestimmten Situationen ein Widerrufsrecht zu für den Fall, dass ein Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wurde.
Ob das Gebot fairen Verhandelns vor Abschluss des Aufhebungsvertrages beachtet wurde, habe das LAG dagegen nicht geprüft. Das Gebot sei eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht und werde verletzt, wenn eine Seite eine psychische Drucksituation schafft, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags erheblich erschwert. Laut BAG könne dies insbesondere dann der Fall sein, wenn die krankheitsbedingte Schwäche der Klägerin bewusst ausgenutzt worden wäre. Ob dies tatsächlich der Fall war, müsse aber das LAG beurteilen.
Fazit
Das vom BAG entwickelte Gebot beschäftigte aktuell nun auch die Instanzgerichte in zwei Entscheidungen (LAG Hamm, Urteil vom 17.5.2021 – 18 Sa 1124/20; LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21.3.2021 – 23 Sa 1381/20). Bei Abschluss eines Aufhebungsvertrags sind viele Aspekte im Einzelfall zu beachten. Neben der zwingend einzuhaltenden Schriftform erfordert das Gebot fairen Verhandelns dabei ein Mindestmaß an Fairness. Ein Verstoß folgt nicht bereits aus einer verweigerten Bedenkzeit, der Nichteinräumung eines Rücktritts- oder Widerrufsrechts oder wenn das Gespräch über eine Aufhebung während der Arbeitszeit im Betrieb geführt wird. Auch ist ein Hinweis, das Vertragsangebot könne nur sofort angenommen werden, da andernfalls eine fristlose Kündigung erfolge, nicht bereits als widerrechtliche Drohung zu werten. In allen anderen Fällen ist es aber dennoch sinnvoll, dem Arbeitnehmer eine angemessene Bedenkzeit einzuräumen. Schließlich sollten Aufhebungsverhandlungen keinesfalls im privaten Bereich des Arbeitnehmers durchgeführt werden.
— Svenja Hoppe-Sumic —
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ZUR AUTORIN
Rechtsanwältin Svenja Hoppe-Sumic
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