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Recht & Steuern

Arbeit auf Abruf: BAG öffnet Regelung des § 12 TzBfG

Die sogenannte „Arbeit auf Abruf“ war für lange Zeit ein von Arbeitgebern gern genutztes Mittel, um individuell auf wechselnden Bedarf an Arbeitskraft reagieren zu können. Arbeitsverträge werden dergestalt geschlossen, dass der Arbeitnehmer nur dann zu arbeiten hatte, wenn der Arbeitgeber ihn braucht und nur für die tatsächlich geleistete Arbeit entlohnt wird.

kunakorn / Adobe Stock

Mit der aktuellen Regelung des § 12 TzBfG hat die Anwendung der „Arbeit auf Abruf“ ein finanzielles Risiko für den Arbeitgeber, wenn keine genaue Spezifizierung der zu erbringenden Arbeitsleistung erfolgt ist.

Im § 12 TzBfG heißt es im ersten Absatz:

(1) Arbeitgeber und Arbeitnehmer können vereinbaren, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat (Arbeit auf Abruf). Die Vereinbarung muss eine bestimmte Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit festlegen. Wenn die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nicht festgelegt ist, gilt eine Arbeitszeit von 20 Stunden als vereinbart. Wenn die Dauer der täglichen Arbeitszeit nicht festgelegt ist, hat der Arbeitgeber die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers jeweils für mindestens drei aufeinander folgende Stunden in Anspruch zu nehmen.

Gerade im Bereich der geringfügigen Beschäftigung birgt die Regelung die Gefahr, sollte die genaue tägliche und wöchentliche Arbeitszeit nicht festgelegt sein, dass eine wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden und/oder eine tägliche Arbeitszeit von drei Stunden als vereinbart gilt. In der Folge würde aus einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis ein sozialversicherungspflichtiges werden. In der weiteren Folge müsste der Arbeitgeber erhebliche Lohnnachzahlungen leisten und zudem Sozialabgaben nachentrichten.

Das BAG hat in einer neuen Entscheidung vom 18. Oktober 2023 (Az.: 5 AZR 22/23) entschieden, dass eine Abweichung der in § 12 TzBfG geregelten fiktiv vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Wochenstunden möglich ist:

„Eine Abweichung davon kann im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nur dann angenommen werden, wenn die gesetzliche Regelung nicht sachgerecht ist und objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, die Parteien hätten bei Vertragsschluss übereinstimmend eine andere Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit gewollt.“

Diese gerichtliche Öffnung des eigentlich eindeutigen Gesetzeswortlauts des § 12 I S3. TzBfG für eine ergänzende Vertragsauslegung ist für viele geringfügige Beschäftigungsverhältnisse, in welchen die Arbeitsleistung nur auf gesonderte Anforderung durch den Arbeitgeber erbracht werden soll, ein Rettungsanker und dürfte eine Folge mehrerer nicht sachgerechter Urteile sein.

Oft haben geringfügig Beschäftigte mehr als einen Arbeitsvertrag und eine plötzliche Erhöhung der Wochenstunden in einem dieser Arbeitsverhältnisse würde dazu führen, dass auch alle anderen Arbeitsverhältnisse sozialversicherungspflichtig werden. Dies führt neben der Nachzahlungspflicht des Arbeitgebers auch beim Arbeitnehmer zu Schwierigkeiten (bspw. Rückzahlungspflicht von staatlichen Hilfen).

Es ist in einem solchen Fall in Anwendung des neuen Urteils davon auszugehen, dass durch die dann mögliche ergänzende Vertragsauslegung nur eine wesentlich geringere Wochenstundenzahl als 20 als vertraglich vereinbart anzunehmen ist.

— Dan Schröer —

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ZUM AUTOR

Dan Schröer, Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt), Fachanwalt für Arbeitsrecht
AGA Norddeutscher Unternehmensverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistung e.V.
Im AGA sind mehr als 3.500 überwiegend mittelständische Groß- und Außenhändler sowie unternehmensnahe Dienstleister aus Norddeutschland organisiert. Der AGA unterstützt in Unternehmens- und Personalführung sowie in allen arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Fragen. Ferner vertritt der AGA die branchen- und firmenspezifischen Belange seiner Mitglieder gegenüber Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit. www.aga.de

 

Bildquellen

  • Dan Schröer: AGA Unternehmensverband
  • Arbeitstage: kunakorn / Adobe Stock
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