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Interviews

Christoph Heilmann: Auge in Auge mit den Giganten im Hamburger Hafen

Hafenrundfahrten im Hamburger Hafen – das kennen wir alles längst, denkt man manchmal. „Weit gefehlt“, weiß Christoph Heilmann, Inhaber der Firma „Hamburg nach Maß“. Er hat die Tour „Auge in Auge mit den Giganten“ mit Einblick in die Hafenterminals entwickelt. In einem kurzweiligen Interview spricht der Wahlhamburger, der seit mehr als 40 Jahren professionelle Gästebetreuung in der Hansestadt anbietet, mit viel Begeisterung über sein Geschäft.

Christoph Heilmann, Inhaber der Firma „Hamburg nach Maß“. Foto: Hamburg nach Maß

Business-on.de: Wie sind Sie in die Tourismusbranche gekommen?

Christoph Heilmann: Nach kaufmännischer Ausbildung und Betriebswirtschaftsstudium in Süddeutschland kam ich nach Hamburg. Eher ein Zufall führte mich zu meinem Beruf – als in einer Zeitung ein „Fremdenführer für Stadtrundfahrten gesucht“ wurde. In der Anfangszeit wussten viele Gäste sicher mehr über Hamburg als ich (lacht), aber die Lernprozesse sind enorm. Auf den Touren gab es dann immer mal Reisegruppen oder Firmenvertreter, die nachgefragt haben, ob man mich auch direkt für Stadtrundfahrten buchen kann. Daraufhin habe ich mir Visitenkarten angeschafft und verteilt. So bin ich langsam in das Geschäft reingerutscht.

Business-on.de: Wie ist die Tour der Giganten entstanden?

Christoph Heilmann: Etablierte Hamburger Busreiseunternehmen hatten sich früher zu einer Arbeitsgemeinschaft für die Stadtrundfahrten zusammengeschlossen, darunter auch Hamburgs ältestes Busunternehmen Friedr. Jasper. So um das Jahr 2000 herum – der Hamburger Hafen war damals der am schnellsten wachsende Hafen in Europa – gab es einen Kontakt zwischen Jasper und der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) zur Organisation und Durchführung von Hafenbesichtigungen einschließlich der Terminals. Die HHLA hatte regelmäßig solche Anfragen, wollte das Geschäft aber nicht selbst in die Hand nehmen. Jasper beauftragte daraufhin mich mit der Konzepterstellung.

Anfangs haben wir spekuliert, dass 20 Touren im Monat prima wären. Das Ding ist aber innerhalb kürzester Zeit durch die Decke gegangen. In der Blütezeit hatten wir manchmal drei Touren pro Tag. Damals waren Schiffsbeteiligungen sehr beliebt. Banken und Emissionshäuser in ganz Deutschland nutzten mehrmals pro Woche unsere Touren für die Akquisition.

Die Firma Reisering hat die Tour der Giganten 2020 übernommen. „Hamburg nach Maß“ ist weiterhin für die inhaltliche Ausgestaltung der Tour und auch die Rekrutierung, Ausbildung und Bereitstellung der Guides verantwortlich. Die freiberuflichen Guides arbeiten für „Hamburg nach Maß”.

Die dreistündige Bustour „Auge in Auge mit den Giganten“ bietet spannende Einblicke in die Logistik-Welt des Hamburger Hafens, wo Containerschiffe aus aller Welt an riesigen Containerbrücken und mit tonnenschweren Spezialfahrzeugen be- und entladen werden. Foto: Reisering

Business-on.de: Ursprünglich war die Tour eher für die Hamburger Einwohnerschaft geplant; wer bucht sie heute?

Christoph Heilmann: Es buchen immer noch viele Hamburgerinnen und Hamburger, worüber wir uns freuen, und auch Menschen aus dem Umland. Wir haben auch Gäste aus dem Ausland, die teilweise extra für diese Tour nach Hamburg kommen. Denn in anderen großen Häfen gibt es solche Terminal-Besichtigungen nur für Fachbesucher. Etwa 70 bis 80 Prozent unserer Gäste kommen auf Empfehlung anderer. Selbst diejenigen, die den Hafen meinen zu kennen, bestätigen oft am Ende der Tour: „So haben wir den Hamburger Hafen noch nicht gesehen“. Sie gehen begeistert nach Hause. Wir bekommen regelmäßig positives Feedback. Diese Tour macht so viel Spaß und ich freue mich jeden Tag, sie wieder zu machen.

Business-on.de: Sie haben auch einen Partner im Unternehmen?

Christoph Heilmann: Ich bin jetzt 71 und muss auch daran denken, mich irgendwann zurückzuziehen. Gegenüber allen Kooperationspartnern ist es fair, Kontinuität aufzuzeigen. Mein Partner Thies Unger vertritt mich schon jetzt in Urlaubszeiten und wir haben vereinbart, dass er übernimmt, wenn ich ausscheide. Er ist zertifizierter Gästeführer in Hamburg und schon seit über 10 Jahren dabei. Er hat zudem ein Ingenieursstudium absolviert und bei Blohm+Voss gearbeitet; er kennt Hamburg und den Hafen in- und auswendig.

Business-on.de: Sie mussten bei Ihrem Start als Gästeführer „nur“ Englisch können; anhand welcher Kriterien wählen Sie heute Ihre Guides aus?

Christoph Heilmann: Die Kriterien haben sich im Laufe der Jahre ein bisschen gewandelt. Immer stärker bei der Auswahl ist geworden, dass jemand begeistert und begeisterungsfähig ist. Inhalte können alle lernen, aber dieses „Menschen mitnehmen“, das kriegen nicht alle hin. Wir müssen innerhalb kürzester Zeit eine Gruppe lesen können und die Moderation darauf abstimmen – besonders bei den Chartergruppen ist es ein Unterschied, ob es sich um eine Seniorenausfahrt, eine Schulgruppe oder Fachbesucher aus dem Logistikbereich handelt. Spontaneität und Feingefühl sind auch wichtig. Thies Unger und ich wählen die Guides gemeinsam aus. Wir haben eine tolle Crew.

Business-on.de: Worauf sind Sie besonders stolz, wenn Sie an Ihr Team denken?

Christoph Heilmann: Zusammenhalt und ein starkes Bewusstsein dafür, dass bei der Art unserer Arbeit wir nichts nachholen, nichts nacharbeiten können. Der Guide ist entweder da oder nicht! Alle haben die „Corporate Idee“ in ihrer DNA. Ich habe es erlebt, dass Guides sogar ihren Urlaub verschoben haben, um eine Tour zu übernehmen. Es ist toll, wenn so etwas im Wechselspiel läuft. Darauf bin ich sehr stolz.

Business-on.de: Gibt es eine Unternehmenstradition, die Sie besonders pflegen?

Christoph Heilmann: Jedes Jahr machen wir zum Saisonauftakt ein großes Fest. Der Termin wird so gelegt, dass alle teilnehmen können. Wir setzen uns in ein Restaurant und machen eine richtige Sause. Das ist dann auch die Gelegenheit, wieder einmal zusammenhängend zu reden und sich besser kennenzulernen. Wir kennen uns alle, arbeiten aber umeinander herum. Man sieht sich eigentlich gar nicht, spricht sich meist nur kurz telefonisch ab. Deswegen ist es so wichtig, einmal im Jahr zusammenzukommen. Das wird immer ein langer feuchter Abend (lacht).

Business-on.de: Welche ist Ihre Lieblingsaufgabe im Arbeitsalltag?

Christoph Heilmann: Die Abwechslung ist schön. Mein Hauptgeschäft ist die Bustour „Auge in Auge mit den Giganten“. Aber im Prinzip mache ich Gästebetreuung in ganz Hamburg. Ich habe tolle Kulturreiseagenturen, die regelmäßig mit sehr kleinen Gruppen mehrere Tage hier sind, die Elbphilharmonie und Staatsoper gebucht haben. Ich übernehme für sie das Rahmenprogramm mit Abholung am Flughafen, Transfer zum Hotel, Einchecken, Spaziergang um den Block zur Orientierung und mehr. Manchmal buchen sie auch die „Giganten“-Tour. Die Veranstalter sind der Meinung, dass in erster Linie die Frauen die Konzerte besuchen wollen und buchen die „Giganten“-Tour als Herrenprogramm. Am Ende sind die Frauen aber auch total begeistert von der Tour. Diese Gästebetreuung ist anstrengend, weil man sehr flexibel sein muss, aber diese Abwechslung macht Spaß!

Business-on.de: Auf Ihrer Website ist zu lesen, dass Sie auch als Off-Sprecher für Audioproduktionen und als Moderator arbeiten?

Christoph Heilmann: Eine Zeitlang habe ich mehr gemacht. Aber beide Jobs benötigen ständige Akquisition. Man muss sich entscheiden. Ich habe manche Werbespots gesprochen und auch Vorträge rund um Hafen und Logistik gehalten. Auch Lesungen bereiten mir unglaublich Spaß. Aber das ist ein Nebenjob.

Business-on.de: Sie setzen also viel auf Ihre Stimme …

Christoph Heilmann: Ich weiß inzwischen, dass ich eine angenehme Stimme habe. Für die ersten Zertifizierungen der Guides habe ich mal im Tourismusverband in der Prüfungskommission gesessen und Rundfahrten abgenommen. Ich war erstaunt, wie wenig Wert darauf gelegt wird, am Mikrofon eine akzeptable Sprechstimme zu haben. Da wird genuschelt und sie verstehen nur die Hälfte. So bin ich froh, dass die Gäste bei uns das Positive registrieren.

Christoph Heilmann moderiert die Bustour „Auge in Auge mit den Giganten“ mit Einblick in die Hafenterminals. Foto: Hamburg nach Maß

Business-on.de: Wie wichtig ist für Sie berufliches Netzwerken?

Christoph Heilmann: Absolut wichtig. Ich muss und kann mich auf andere verlassen. Es geht auch um Vertrauen. Ich habe mir über die Jahre das Vertrauen erarbeitet, dass Kunden und Kooperationspartner sagen: „Ja, wenn das aus Ihrem Haus kommt, dann verlassen uns darauf.“

Business-on.de: Welche ist derzeit die größte Herausforderung in Ihrem Unternehmen?

Christoph Heilmann: Alle Beteiligten der „Giganten“-Tour, wir selbst und auch die Guides, müssen aufpassen, dass wir den Qualitätsstandard halten. Wenn es gut läuft, besteht die Gefahr, dass man schludrig wird. Ein schwieriges Thema ist die Ausweiskontrolle bei unseren Touren in die Sicherheitsbereiche der Terminals. Selbst bei einem nur einen einzigen Tag abgelaufenen Ausweis dürfen wir keine Ausnahme machen. Unsere Zusammenarbeit mit der HHLA ist exzellent, weil wir seit 21 Jahren zuverlässig arbeiten. Diesen Qualitätsstandard zu halten, würde ich als die größte Herausforderung sehen.

Business-on.de: Welches ist Ihr persönliches Lieblingsprodukt aus Hamburg?

Christoph Heilmann: Ein Shirt, auf dem in ganz kleinen Lettern Hamburg draufsteht – ich liebe die hanseatische Zurückhaltung.

Business-on.de: Und Ihr Lieblingsort in der Stadt?

Christoph Heilmann: Alles am Wasser …

Business-on.de: Wenn Sie einen Tag lang die Fäden der Stadt ziehen dürften, welche längst überfällige Maßnahme würden Sie umsetzen?

Christoph Heilmann: Ich würde mit einem Lautsprecher durch die Stadt fahren und sagen: Bleibt gelassen!

Business-on.de: Welche Zukunftsfrage würden Sie Hamburg gern einmal stellen?

Christoph Heilmann: Ich würde nicht unbedingt eine Frage stellen, sondern vorschlagen, die Einwohnerinnen und Einwohner Hamburgs sollten selbstbewusster mit ihrer Stadt umgehen. Ich mag nicht die Idee, immer größer werden zu wollen und unbedingt in die Liga der Weltmetropolen aufzusteigen. Hamburg ist eine sehr kleine Großstadt; sie bietet alles, was man erwartet, sei es Kultur, sei es Nachtleben. Das Alleinstellungsmerkmal Hamburgs ist der Hafen. Hafenstädte haben aber international nicht unbedingt eine gute Reputation. Daher sind wiederum Bilder vom Blue Port oder Hafenrundfahrten so toll. Ich wünsche mir mehr Zufriedenheit, mit dem, was wir haben. Warum werden die Alsterarkaden immer mit Venedig verglichen? Warum muss die Köhlbrandbrücke Hamburgs Golden Gate sein? Sie ist die Köhlbrandbrücke – Punkt! Das Selbstbewusstsein der Hanseaten vermisse ich hier. Immer nur darauf zu gucken, was die anderen haben, das brauchen sie nicht.

Business-on.de: Vielen Dank für das Interview, Herr Heilmann!

— Das Interview führte Tanja Königshagen —

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BUSINESSKÖPFE IN UND UM HAMBURG

In dieser Interview-Reihe sprechen Geschäftsleute und Entscheidungstragende in der Metropolregion Hamburg über ihr Business und darüber, was sie aktuell bewegt, wie sie ihr berufliches Umfeld erleben und was sie mit ihrem Standort verbindet.

Bildquellen

  • Tour-der-Giganten-Bus und Containerschiff: Reisering
  • Tour der Giganten: Hamburg nach Maß
  • Christoph Heilmann: Hamburg nach Maß
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