business-on.de: Hamburg wird häufig als die schönste Stadt der Welt bezeichnet. Was ist Ihr Eindruck?
Prof. Shan Fan: Hamburg steht für Tradition und Moderne. Ich kenne keine andere Stadt, in der sich beide in einem ähnlich gelungenen Gleichgewicht befinden. Aber dann ist da ja noch das typische graue Hamburger Schmuddelwetter. Viele finden es schrecklich, ich nicht. Ich sehe dank der grauen Farbe die Welt hier differenzierter.
business-on.de: Sie haben von 1985 bis 1987 an der Hochschule für Bildende Kunst Hamburg studiert und leben seitdem überwiegend hier. Wie kommt es, dass Sie so eine enge Beziehung zu Hamburg haben?
Prof. Shan Fan: Ich liebe die hanseatische Mentalität: nüchtern und zurückhaltend, aber ehrlich, direkt und vertrauenswürdig. Ich habe die deutsche Staatsbürgerschaft und bin schon mehr als dreißig Jahre Hanseat – länger als viele, die hier geboren sind.
business-on.de: Wie hat das tiefe Eintauchen in zwei so unterschiedliche Kulturen wie China und Deutschland Ihre Persönlichkeit und Ihr berufliches Schaffen beeinflusst?
Prof. Shan Fan: Ich bin entschieden unentschieden. Ich bin immer dazwischen! Das ist meine kulturelle Identität. Das ist zwar häufig anstrengend, aber sehr spannend. So ist immer was los! Ich lasse Gewohntes hinter mir, um offen zu sein für Neues. Das gilt sowohl für mein Schaffen als Künstler, als auch für meine Arbeit als Hochschulpräsident.
business-on.de: Mit welchem Ziel haben Sie den 1. DACHINA Markendialog ins Leben gerufen?
Prof. Shan Fan: Das oberste Ziel des Markendialogs ist es, eine neue Plattform zu schaffen, auf der wir voneinander lernen können. Das ist immer eine gute Idee. In diesem Fall liegt der Fokus auf zwei Regionen, die wirtschaftlich bereits viel verbindet, aber kulturell noch vieles voneinander trennt. Marken bieten sich als verbindendes Thema geradezu an, denn sie können sowohl aus wirtschaftlicher als auch aus kultureller Perspektive betrachtet werden – und aus wissenschaftlicher sowieso. Da ich Künstler bin, aber eben auch Unternehmer und Wissenschaftler, passt aus meiner Sicht alles zusammen.
Der wissenschaftliche Aspekt der Veranstaltung wird unter anderem dadurch repräsentiert, dass die Brand Academy Mitveranstalter des Events ist. Darüber hinaus ist sie die einzige Hochschule, die sich akademisch ausschließlich auf Marken konzentriert. Die ebenfalls von mir gegründete DACHINA interchange Management GmbH ist – neben China Central Television – ein weiterer Veranstalter des Events. Ihre explizite Mission ist es, neue effektive Plattformen für den wirtschaftlichen und kulturellen Austausch zwischen der DACH-Region und China zu schaffen. Der Markendialog ist der erste große Schritt auf einer langen Reise. Alle überschüssigen Einnahmen aus den Projekten von DACHINA interchange werden übrigens in Stipendien für Masterstudiengänge umgewandelt. Hinter dem Markendialog steht also auch ein guter Zweck.
1. DACHINA Markendialog – Die Markenkonferenz für die DACH-Region und China
Am 5. September 2018 trifft ein handverlesenes Fachpublikum aus etwa 300 Gästen auf renommierte Redner aus der DACH-Region und aus China, um sich über konkrete Erfahrungen und zukunftsweisende Konzepte im Marken-Management auszutauschen. Hauptveranstalter der im Hamburger Hotel Grand Elysée stattfindenden Konferenz sind DACHINA interchange, die Brand Academy – Hochschule für Design und Kommunikation und China Central Television (CCTV). Der Markendialog soll künftig alle zwei Jahre im Rahmen der Hamburger China Time stattfinden.
Weitere Information: www.dachinamarkendialog.org
business-on.de: Was sind – in aller Kürze – die Inhalte der Veranstaltung?
Prof. Shan Fan: Wir versuchen eine gute Balance zu finden zwischen wissenschaftlichen Beiträgen und Beiträgen aus der Unternehmenspraxis. Auf der einen Seite steht die Diskussion über „Brand Thinking“, ein zukunftsorientiertes und innovatives Paradigma für unternehmerisches Denken und Handeln. Auf der anderen Seite stehen konkrete Erfahrungsberichte, wie Marken an die DACH-Region bzw. China angepasst werden müssen, um erfolgreich zu sein.
business-on.de: Welche Bedeutung werden Marken in Zukunft in einer globalen Welt mit vermutlich immer mehr Individualisten haben?
Prof. Shan Fan: Marken können sowohl trennen als auch verbinden. Das ist einer der Gründe, warum sie so faszinierend sind. Der moderne Konsument kauft vielleicht seine Brötchen bewusst bei einem traditionellen Bäcker an der Ecke statt bei einer Kette. Oder kauft ein Einzelstück bei einem befreundeten Schneider oder Schuhmacher. Gleichzeitig hat er wie Millionen andere ein iPhone in der Tasche.
Wenn im Zusammenhang mit Marken und Konsum von Individualismus gesprochen wird, sind eigentlich „Communities of Consumption” gemeint. Niemand steht ganz für sich allein, man grenzt sich höchstens als Mitglied einer Gruppe von anderen Gruppen ab. Innerhalb der Gruppe bleibt man aber durch eine Marke verbunden. Insofern sehe ich fortschreitenden Individualismus nicht als Hindernis für die Bedeutung von Marken. Ganz abgesehen davon, dass Trends die Gewohnheit haben, sich irgendwann auch wieder umzukehren. Nur in einer kommunistischen Gesellschaft wäre es für die Menschheit vielleicht ausreichend, mit Muji („No Brand“-)Marken zu leben.
business-on.de: Wie wichtig war und ist für Sie berufliches Netzwerken und wie pflegen Sie es?
Prof. Shan Fan: Ich mag die deutsche Metapher „Vitamin B”, denn Netzwerke machen stark. Sie beruhen aber auf Vertrauen, daher pflege ich meines mit Samthandschuhen.
business-on.de: Welcher ist Ihr Lieblingsort in Hamburg und warum?
Prof. Shan Fan: Ich bin am liebsten in meinem Büro an der Brand Academy. Es liegt an der Rainvilleterrasse in Hamburg-Ottensen. Von den Fenstern kann ich die Schiffe rein und rausfahren sehen. Das weckt Sehnsucht in mir.
— Das Interview führte Brigitte Muschiol —
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HAMBURGER BUSINESSKÖPFE
In dieser Interview-Reihe sprechen Hamburger UnternehmerInnen und EntscheiderInnen darüber, was sie mit der Hansestadt verbindet und wie sie ihr berufliches Umfeld erleben.
Bildquellen
- profdrhc_shan_fan_brand_academy: Brand Academy - Hochschule für Design und Kommunikation