Die Klägerin ist als geringfügig Beschäftigte bei der Beklagten – einem Handel für Nähmaschinen und Zubehör – in Bremen beschäftigt. Im April 2020 musste die Beklagte das Ladengeschäft in Bremen aufgrund der „Allgemeinverfügung über das Verbot von Veranstaltungen, Zusammenkünften und der Öffnung bestimmter Betriebe zur Eindämmung der Corona-Pandemie“ der Freien Hansestadt Bremen vom 23. März 2020 schließen.
Während sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in die Arbeitslosenversicherung einzahlen und die Möglichkeit zum Bezug von Kurzarbeit besteht, liegen bei geringfügig Beschäftigten die gesetzlichen Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeit nach §§ 95 Nr. 3, 98 Abs. 1 SGB III i.V.m. § 8 Abs. 1 SGB IV nicht vor.
Die Klägerin war arbeitsfähig und arbeitswillig, konnte aber wegen der Allgemeinverfügung nicht arbeiten und erhielt vom Arbeitgeber auch keine Vergütung für den Monat April 2020. Während die Klägerin in der behördlichen Anordnung ein alleiniges Betriebsrisiko der Beklagten sah, wendete der Arbeitgeber ein, dass es sich bei den Maßnahmen der Pandemiebekämpfung um ein allgemeines Lebensrisiko handeln würde, welches nicht beherrschbar und von allen gleichermaßen zu tragen sei.
Die Vorinstanzen verurteilten die Beklagte als Arbeitgeber zur Zahlung, das Bundesarbeitsgericht hob die vorinstanzlichen Urteile auf und wies die Klage ab.
Grundsätzlich gilt, dass der Arbeitnehmer sein Tätigwerden schuldet und in der Folge ist der Arbeitgeber zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet, § 611 a BGB. Das Betriebsrisiko trägt grundsätzlich der Arbeitgeber.
Aufgrund der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts hat die Klägerin für den Monat April 2020 jedoch keinen Anspruch auf Annahmeverzugslohn. Aufgrund der behördlich angeordneten Betriebsschließung war die Arbeitsleistung der Klägerin und deren Annahme durch die Beklagte unmöglich. Der Arbeitgeber trage aber nach Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts nicht das Risiko des Arbeitsausfalls, wenn zum Schutz der Bevölkerung nahezu flächendeckend in einem Bundesland alle nicht für die Versorgung der Bevölkerung notwendigen Einrichtungen geschlossen werden. In einem solchen Fall realisiere sich nicht ein im Betrieb angelegtes Risiko. Die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung sei Folge eines hoheitlichen Eingriffs zur Bekämpfung einer die Gesellschaft insgesamt treffenden Gefahrenlage.
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes erweist sich als folgerichtig, eine Zahlungspflicht des Arbeitgebers lässt sich nicht begründen. Da die Klägerin keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld hat, entsteht der Klägerin aus der Lücke im sozialversicherungsrechtlichen Regelungssystem ein finanzieller Nachteil. Die Schließung dieser Lücke ist Angelegenheit des Staates.
Bisher ist unklar, ob dieser Grundsatz des Betriebsrisikos bei Allgemeinverfügungen auch auf sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse übertragbar ist. In den Fällen sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung hat der Arbeitgeber das Initiativrecht für die Beantragung von Kurzarbeit, deren Voraussetzungen hier auch vorliegen. Es liegt also in der Hand der Arbeitgeber, finanzielle Totalausfälle bei den sozialversicherungspflichtig beschäftigten Arbeitnehmern während einer Allgemeinverfügung zu verhindern und das ist auch empfehlenswert. Die Arbeitsgerichte könnten die Arbeitgeber aufgrund der arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht in der Verantwortung sehen, Kurzarbeit als „Schadensminderung“ zu Gunsten der Arbeitnehmer zu beantragen.
— Martin Bauer —
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ZUM AUTOR
Martin Bauer, Leiter der Geschäftsstelle Schleswig-Holstein,
Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt), Fachanwalt für Arbeitsrecht AGA Norddeutscher Unternehmensverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistung e.V.
Im AGA sind mehr als 3.500 überwiegend mittelständische Groß- und Außenhändler sowie unternehmensnahe Dienstleister aus Norddeutschland organisiert. Der AGA unterstützt in Unternehmens- und Personalführung sowie in allen arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Fragen. Ferner vertritt der AGA die branchen- und firmenspezifischen Belange seiner Mitglieder gegenüber Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit. www.aga.de
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