Es gibt Tage, an denen beide Füße die falschen sind, um mit ihnen aufzustehen. Man sollte gleich im Bett liegen bleiben. Aber die Vernunft sagt einem, dass der Moment kommen wird, in dem man sein bequemes Lager trotz aller Bedenken schweren Herzens verlassen muss.
Außer, es wurde für solche Tage vorgesorgt: Essen, Trinken, Telefon, Fernseher, Computer, ein Gefäß für die Notdurft und was man sonst noch braucht, um die nächsten Stunden problemlos im Bett zu verbringen, sind so platziert, dass man alles von der Schlafstelle aus erledigen und erreichen kann. Ansonsten gibt es keine Möglichkeit, dem Unglück zu entgehen, das einen erwartet, sobald man den ersten Fuß – welcher auch immer es ist – auf den harmlos wirkenden Boden des Schlafzimmers setzt. Danach kann man nur noch hoffen, dass der Tag nicht so schlimm wird, wie man es in diesem Moment befürchtet.
Oder es geht einem so wie mir. Ich wusste ganz genau, dass die Zimmerdecke über meinem Bett einstürzen würde, wenn ich liegen bleibe. Das Haus wäre von einer riesigen Erdspalte verschluckt worden, die Trümmer hätten mich unter sich begraben und vermutlich wie einen kleinen Käfer zerquetscht. Wahrscheinlich wäre dann auch noch flüssiges Magma aus dem Erdinneren in die Spalte geflossen und hätte jeglichen Versuch, mich zu retten, verhindert.
So wählte ich das geringere Risiko. Und nur darum bin ich heute zur Arbeit gegangen – an einem Tag, an dem man eigentlich im Bett hätte liegen bleiben sollen.
–Andreas Ballnus —
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ZUM AUTOR
Andreas Ballnus
Jahrgang ’63, Liedermacher und Autor. Außerdem ist er Gründungs- und Redaktionsmitglied der Stadtteilzeitung „BACKSTEIN“. Unter dem Nick „anbas“ hat er in dem Literaturforum „Leselupe.de“ eine Vielzahl seiner Texte veröffentlicht. Er lebt in Hamburg und verdient sein Geld als Sozialarbeiter im öffentlichen Dienst. Weitere Informationen: andreasballnus.de.tl
Bildquellen
- Andreas Ballnus: Sebastian Lindau