Ich durchlebe ein Klischee. Es ist wie in einem schlechten Film, der völlig platt mit dem Mann-Frau-Thema spielt. Doch es ist real.
Eigentlich wollten wir zum Baumarkt, um Material für die Renovierung des Wohnzimmers zu besorgen. Wir benötigen von Farbe über Pinsel bis hin zum Tapeziertisch so ziemlich alles.
„Lass uns doch unterwegs anhalten und mal eben kurz zu Karstadt reingehen“, hatte sie dann plötzlich gesagt. „Mal, eben, kurz …“ – ich hätte sofort misstrauisch werden sollen.
Jetzt ist es gut zwei Stunden her, dass sie das gesagt hat. Ich darf die Tüten schleppen. Alles Klamotten, die sie sich „mal eben kurz“ ansehen wollte. Aus dem „Ansehen“ wurde kaufen, aus dem „mal eben kurz“ zwei Stunden – und aus dem Ehemann ein Lastenträger.
Ich habe einen Rucksack dabei. Die Sachen würden dort hineinpassen. Dann hätte ich eine Hand frei und könnte meinen Schatz mal in den Arm nehmen oder mit ihr Hand in Hand den Einkaufsbummel fortsetzen. Ich jedenfalls hätte die Klamotten in den Rucksack gepresst. Die kommen sowieso vor dem ersten Tragen in die Waschmaschine, da macht es nichts, wenn sie jetzt etwas geknautscht werden.
„Das kommt gar nicht in die Tüte“, hatte sie theatralisch empört auf meinen Vorschlag mit dem Rucksack reagiert und sich köstlich über die kleine Wortspielerei amüsiert. Dann drückte sie mir ihre letzte Einkaufsbeute in die bis dahin noch etwas freie Hand und rauschte entschlossen weiter. Beim Shoppen verschieben sich die Prioritäten.
Endlich sind wir an der frischen Luft. Ich will zum Auto gehen, doch sie zerrt mich in die andere Richtung.
„Nun holen wir den anderen Kram – Pinsel, Lack und so weiter“, sagt sie. Ihr Lächeln ist anders als sonst. Wieder sollte ich misstrauisch sein. Wo will sie jetzt mit mir hin? Gibt es hier in der Nähe einen Baumarkt oder ein Fachgeschäft, das ich nicht kenne?
„Wo willst Du denn jetzt hin?“, frage ich. Wieder dieses Lächeln. Sie sagt nichts. Ich hasse solche Geheimniskrämereien. Aber wehe, ich erzähle ihr nicht alles, wehe ich mache mal einen auf geheimnisvoll. Dann brennt aber die Luft, dann ist Schluss mit lustig.
Ich hatte es geahnt. Wieder stehe ich blöd herum, so wie eben bei Karstadt in der Damenabteilung. Sie lässt sich gründlich beraten – über Pinsel, Lacke und so weiter. Doch Worte wie „Renovierung“ oder „Spachtelmasse“ traue ich mich hier nicht, in den Mund zu nehmen. Ich muss mich beherrschen und beherrsche mich tapfer. Wir sind bei Douglas gelandet – dem Baumarkt für die Frau.
– Andreas Ballnus —
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ZUM AUTOR
Andreas Ballnus
Jahrgang ’63, Liedermacher und Autor. Außerdem ist er Gründungs- und Redaktionsmitglied der Stadtteilzeitung „BACKSTEIN“. Unter dem Nick „anbas“ hat er in dem Literaturforum „Leselupe.de“ eine Vielzahl seiner Texte veröffentlicht. Er lebt in Hamburg und verdient sein Geld als Sozialarbeiter im öffentlichen Dienst. Weitere Informationen: andreasballnus.de.tl
Bildquellen
- Andreas Ballnus: Sebastian Lindau