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Fehler und Irrtümer in der Existenzgründung – Teil 3: Finanzen und Zahlen

Gerade betriebswirtschaftliche Schwächen und fehlendes Know-how im Finanzbereich führen bei Existenzgründungen in der Start- und Aufbauphase zu erheblichen Problemen und enden manchmal in der Insolvenz. Der Hamburger Unternehmens- und Gründungsberater Uwe Twachtmann beschreibt in seiner Artikelreihe vermeidbare Irrtümer und Fehler. Er gibt Tipps und schlägt bewährte Gegenstrategien aus seiner Beratungserfahrung vor. Im dritten Teil der Serie geht es um den Finanzen und Zahlen.

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Betriebswirtschaftliches Know-how fehlt

Dem Existenzgründer fehlen Grundkenntnisse aus den betriebswirtschaftlichen und kaufmännischen Bereichen eines Unternehmens. Oftmals hat er keine Erfahrungen gesammelt über betriebliche Abläufe, wirtschaftliche Zusammenhänge und die juristischen Voraussetzungen für sein Geschäftskonzept. Die Bedeutung der finanziellen Bereiche Buchhaltung, Kalkulation und Controlling unterschätzt er und verlässt sich auf monatliche Standardlisten. Daraus können falsche Entscheidungen und verspätete Reaktionen mit weitrechenden Konsequenzen resultieren.

Beispiel: „Wozu denn Verträge? Mit meinem Kollegen verstehe ich mich super und der Kunde findet mein Angebot auch gut. Und außerdem: Nur das Genie beherrscht das Chaos. Organisation, Ordnung und Planung sind doch in meinem kleinen Laden echt überflüssig, solange die Kohle fließt.“

Praxis-Tipp: Prüfen Sie die für Ihre Geschäftsidee erforderlichen Kompetenzen. Verschaffen Sie sich zumindest Grundkenntnisse in den wesentlichen Bereichen und stärken Sie mittelfristig Ihr eigenes Wissen durch Fortbildung. Erweitern Sie zum Unternehmensstart Ihr Team oder holen Sie sich externe Unterstützung. Nutzen Sie dazu beispielsweise die Fördermöglichkeiten des KfW-Gründercoachings.

Der Businessplan ist nicht plausibel

Zum Unternehmensstart hat der Gründer einen Businessplan geschrieben und gerechnet, der auf Bauchgefühl und dem Prinzip „Hoffnung“ basiert. Alle Angaben und Berechnungen sind tendenziell eher optimistisch. Markteintrittsphase und Mengenwachstum sind geschätzt und nicht auf Basis der eigenen Marketingstrategie und Werbebudget entwickelt. Eine Kapazitätsrechnung ist unterblieben und Folgekosten bei wachsender Auslastung nicht berücksichtigt. Saisonale Schwankungen, Branchenentwicklung und mögliche Reaktionen des Wettbewerbs auf seine Gründung hat der junge Unternehmer nicht in seine Planungen einbezogen.

Beispiel: „Ich schätze, ich brauche wohl 3.000 Euro Umsatz im Monat. Die paar Kunden dafür zu bekommen, kann ja nicht so schwer sein. Wenn ich meine Website fertig habe, ordentlich Flyer verteile und ein paar Firmen anrufe, habe ich die mit Sicherheit spätestens nach zwei oder drei Monaten akquiriert.“

Tipp: Versuchen Sie, alle Angabe und Informationen Ihres Businessplans in Geld zu bewerten. Übernehmen Sie alles in die Planungsrechnung. Denken Sie auch an einmalige Gründungskosten wie Gebühren, Logoentwicklung und Erstausstattungen. Passen Text und Zahlen des Konzepts sowohl zeitlich als auch finanziell zusammen? Ziehen Sie Statistiken und Branchenzahlen als Vergleichsgrundlage zu Rate und fragen Sie andere Gründer nach deren Erfahrungen.

Buchhaltung und Steuern gelten als rotes Tuch

Manche Gründer empfinden Buchhaltung als lästiges Übel, das man aus Kostengründen selbst mal „schnell und nebenbei“ erledigen kann. Verlässliche Unternehmensergebnisse ermittelt der Unternehmer nicht. Die vom Steuerberater erstellten BWA versteht der Existenzgründer eigentlich nicht, lässt sie sich aber nicht erklären und heftet sie nur ab. Als Folge daraus erkennt er Fehlentwicklungen nicht rechtzeitig und trifft falsche Entscheidungen. Steuern sparen erscheint dem Gründer wichtiger als seine Betriebsabläufe und Ergebnisse zu optimieren.

Beispiel: „Eigentlich lief der August doch ganz gut. Aber jetzt im Oktober hat mir der Steuerberater die BWA geschickt und das steht ein Verlust drin. Ich weiß gar nicht, woher das kommen soll. Aber er ist der Fachmann und wird wohl Recht haben. Mal schauen, was dann im September rausspringt.“

Praxis-Tipp: Wenn Buchhaltung nicht zu Ihren Kernkompetenzen gehört, lassen Sie diese Pflicht extern erledigen. Bereiten Sie die Unterlagen vor, denn so behalten Sie den Überblick und sparen dazu Beratungshonorar. Bitten Sie darum, unterjährig auch Abschreibungen und Abgrenzungen zu buchen. Lassen Sie sich die Auswertungen solange erklären, bis Sie sie verstanden haben. Fragen Sie nach Vorjahresvergleichen, Branchenzahlen und weiteren Tools des Buchhaltungssystems.

Kostenrechnung, Controlling und Planung sind überflüssig

Gründer wissen oftmals nicht, dass sich Kostenrechnung auch für kleine Betriebe lohnt und dies die Basis einer fundierten Preiskalkulation ist. Sie kennen die eigenen Preisuntergrenzen nicht und nutzen mögliche Spielräume bei Preisverhandlungen nicht aus. Die Notwendigkeit einer Unternehmensplanung und einem Mindestmaß an laufendem Controlling sieht der Gründer nicht ein.

Beispiel: „Der Kunde will ein Angebot haben. Aber so richtig weiß ich gar nicht, wie ich das kalkulieren soll. Und was ist überhaupt mein korrekter Stundensatz? Wie soll ich eigentlich reagieren, wenn der Kunde anschließend noch über den Preis verhandeln will? Irgendwie muss doch am Ende genug übrig bleiben!“

Praxis-Tipp: Beschäftigen Sie sich mit der Kostenstruktur Ihres Betriebs. Haben Sie alle Kosten und Nachlässe, vor allen Dingen aber Ihren Gewinn in der Kalkulation berücksichtigt? Planen Sie die Rentabilität und ermitteln Sie den Umsatz anhand konkreter Absatzpläne (Menge x Preis). Planen Sie die Liquidität auf Wochenbasis und aktualisieren Sie die Planung regelmäßig. Legen Sie die für Sie wichtigen Kennzahlen fest und führen Sie regelmäßig Plan-Ist-Vergleiche durch. Untersuchen Sie bei Abweichungen die Ursachen.

Liquidität und Finanzierung sind eher Zufall

Der Gründer unterschätzt den Kapitalbedarf für notwendige Investitionen sowie einmalige Gründungs- und Anlaufkosten. Erforderliche Lagerbestände und langfristige Projekte werden nicht ausreichend finanziert. Zahlungsziele in der Startphase, verspätete Zahlungen und Forderungsausfälle führen zu Liquiditätsengpässen. Der Unternehmer führt kein Forderungsmanagement durch, überfällige Forderungen werden nicht konsequent verfolgt und gemahnt. Im Liquiditätsplan sind keine Tilgungen enthalten.

Beispiel: „Die Gründung läuft, ich arbeite Tag und Nacht und schreibe auch Rechnungen. Trotzdem kommt das Konto einfach nicht aus den Miesen raus. Und die Bank fragt auch schon. Ich verstehe das einfach nicht, in der BWA habe ich doch Gewinn gemacht.“

Tipp: Planen Sie alle Zahlungen und die zeitliche Entwicklung Ihres Geschäfts konservativ. Rechnen Sie Reserven in Ihren Kapitalbedarf ein. Nutzen Sie Ihre Risiko-Analyse aus dem Businessplan und bewerten Sie Ihre Risiken und Gegenstrategien. Achten Sie vor allen Dingen immer auf die Liquiditätsentwicklung, dort erkennen Sie geschäftliche Fehlentwicklungen zuerst. Holen Sie sich im Ernstfall rechtzeitig kompetente Unterstützung. Sprechen Sie Ihre Bank auf eine Überziehung an, bevor das „Kind in den Brunnen gefallen“ ist.

Im vierten Teil der Artikelreihe „Fehler und Irrtümer in der Existenzgründung“ geht es um das Thema „IT und Internet“.

 

— Uwe Twachtmann —

Bildquellen

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