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Fehler und Irrtümer in der Existenzgründung – Teil 1: Konzept und Marketing

Viele Existenzgründer scheitern in den ersten Jahren ihrer Selbstständigkeit. Die aktuelle Gewerbestatistik zeigt, dass speziell kleine Unternehmen und Gründungen im Teilgewerbe oft aufgeben. Uwe Twachtmann beschreibt in seiner Artikelreihe die häufigsten Fehler und Irrtümer von Existenzgründern, gibt Tipps aus seiner Beratungspraxis und schlägt Gegenstrategien vor. Im ersten Teil der Artikelreihe geht es um Konzept, Marketing und Vertrieb.

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Es gibt zahlreiche Gründe für das Scheitern junger Unternehmer/innen und ihrer Geschäftskonzepte. Neben externen Risiken sind es häufig die eigenen Schwächen oder eine nicht ausreichende Vorbereitung, die die Geschäftsaufgabe nach sich ziehen.

Kein ausgereiftes Konzept zur Idee

Ein Businessplan ist aufgrund seiner vorgegebenen Struktur ein ideales Mittel, eine Geschäftsidee und ihre wesentlichen Grundlagen detailliert zu entwickeln und auszuformulieren. Häufig definieren Unternehmer das Angebot jedoch nur sehr vage und beschreiben ihre Zielgruppe, deren Vorteil und Nutzen und das Alleinstellungsmerkmal des Konzepts zu ungenau. Der relevante Markt und Wettbewerb werden vom Unternehmer nicht ausreichend recherchiert. Weder wird ein Marketingkonzept entwickelt, noch Werbung und Verkaufsaktivitäten geplant und auf die Zielgruppe ausgerichtet. Die wirtschaftlichen Grundlagen basieren oft nur auf Schätzungen oder dem Bauchgefühl des Unternehmers. Eine Planungsrechnung existiert oft nur in Eckdaten, ein Plan-Ist-Vergleich wird selten durchgeführt. Bei der Kalkulation berücksichtigt der Gründer seine Kapazitäten und die gegebenen Markt- oder Wettbewerbspreise nur in Ansätzen.

Ein Beispiel: „Ich bin gelernter Grafiker und biete alle kreative Dienstleistungen an. Ich habe Firmenkunden, die alle Werbung und Design brauchen. Ich mache Werbung mit Visitenkarten, Flyern und einer Homepage. Nach einem Vierteljahr verkaufe ich mindestens zwei Corporate Designs und eine Website und habe dann regelmäßig 5.000 Euro Umsatz im Monat.“

Praxis-Tipp: Gehen Sie Ihren Businessplan noch einmal Punkt für Punkt durch, recherchieren und definieren Sie die Inhalte genau. Stimmen Sie die Einzelpunkte gegeneinander ab und „plausibilisieren“ Sie die Inhalte. Suchen Sie selbstkritisch nach den Reibungspunkten und holen Sie sich Feedback Außenstehender. Nehmen Sie kompetente Beratung oder Coaching in Anspruch.

Die Idee steht im Fokus, nicht der Kunde

Der Existenzgründer beschreibt seine Zielgruppe nur ungenau und der Kundennutzen ist nicht konkret dargestellt. Das eigene Angebot und die Qualifikation stehen im Vordergrund des Geschäftsvorhabens. Auftritt und Werbung sind nicht auf die Sicht des Kunden ausgerichtet.

Beispiel: „Meine Kundschaft sind mittelständische Unternehmer, die mein Studium und meine Pünktlichkeit zu schätzen wissen. Und mit einer Fanpage kann ich 20 Millionen Deutsche erreichen.“

Praxis-Tipp: Sehen Sie mit den Augen Ihres Kunden! Welches Problem hat Ihr Kunde? Kennt er seinen Bedarf überhaupt? Was benötigt er und was erwartet er? Was ist sein Verständnis vom idealen Preis-Leistungs-Verhältnis? Über welche Kanäle erreichen Sie ihn und welche Argumente bringen ihn zum Geschäftsabschluss?

Markt und Wettbewerb werden unterschätzt

Es gibt keine ausreichende Markt- und Wettbewerbsanalyse. Die Markt- und Branchenentwicklung ist nicht bekannt und die Wettbewerbssituation nicht recherchiert. Eine Übersicht über Angebot und Nachfrage und die Preisstruktur besteht nicht. Ein Alleinstellungsmerkmal (USP = Unique Selling Proposition) ist nicht definiert und eine klare Abgrenzung vom Wettbewerb nicht erfolgt.

Die eigenen Spezialisierung wird gegenüber dem Kunden nicht ausreichend und klar genug kommuniziert. Eine Anpassung des Produktes oder der Werbung erfolgt bei Änderungen des Umfelds nicht oder nicht schnell und konsequent genug. Es gibt keine Strategien für die eigene Reaktion auf Marktentwicklungen.

Beispiel: „Der deutsche Markt für Marketing und Werbung hat ein Volumen von 3,1 Milliarden Euro im Jahr. Wenn ich davon nur 0,01 Promille bekomme, kann ich davon schon recht gut leben. Es gibt zwar viele Konkurrenten, aber ich bin zuverlässig, ganz besonders kreativ und auch günstiger als die anderen.“

Praxis-Tipp: Schätzen Sie die internen Schwächen und Stärken sowie die externen Risiken und Chancen Ihres Konzeptes realistisch ein – beispielweise mit Hilfe einer SWOT-Analyse (Strengths, Weaknesses, Opportunities und Threats). Wer und was beeinflusst Ihr Geschäft von außen? Haben Sie Einfluss darauf? Was können Sie tun? Entwickeln Sie Strategien und Handlungsalternativen und bereiten Sie sich auf den „Ernstfall“ vor.

Dem Marketing wird nicht genügend Bedeutung beigemessen

Es gibt keine Marketingstrategie. Unternehmenswerte, Markenkern und Nutzenversprechen sind nicht durchdacht. Positionierung, Markenentwicklung und Image sind eher Zufall. Konkrete Strategien mit der Ausrichtung auf die definierte Zielgruppe und eine mögliche Marktnische fehlen völlig oder werden nicht ausreichend verfolgt. Das Corporate Design ist selbst „gebastelt“ und spricht die Zielgruppe nicht an. Die verwendeten Werbemittel und -kanäle passen nicht zum Angebot und der Zielgruppe. Die Erfolgsquote der Maßnahmen wird nicht gemessen, analysiert und angepasst.

Beispiel: „Jede Firma braucht eine Website. Also suche ich mir ein paar Adressen raus und verschicke ein Mailing an ein paar hundert Adressen. Dann baue ich mir noch eine Homepage bei „2&2“ und verteile ein paar Flyer aus der Internetdruckerei. Es müssen nur genug Kontakte sein, dann wird schon ein Kunde anbeißen.“

Praxis-Tipp: Machen Sie sich Gedanken über Ihre Vision: Wofür wollen Sie stehen und was darf Ihr Kunde von Ihnen erwarten. Erkunden Sie die Zielgruppe und den Markt und planen Sie eine Marketingstrategie. Entwickeln Sie einen Marketingmix bestehend aus Produkt-, Preis-, Kommunikations-, und Distributionspolitik (4P = Product, Price, Promotion, Place) und legen Sie dafür Ziele mit Hilfe der Markterkundung fest. Planen Sie die Maßnahmen in Werbung und Verkauf anhand der Kundenprofile, überprüfen Sie regelmäßig den Erfolg Ihrer Bemühungen.

Im zweiten Teil der Reihe „Fehler und Irrtümer in der Existenzgründung“ geht es um den „Faktor Mensch“. Das Thema „Finanzen und Zahlen“ wird im dritten Teil der Serie behandelt, im vierten Teil folgt „IT und Internet“.

 

— Uwe Twachtmann —

Bildquellen

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