Der US-amerikanische Vordenker und Bestsellerautor Jeremy Rifkin war der Keynote-Speaker des diesjährigen Kongresses „Work in Progress“. Im Rahmen des „New Work Day“ am 13. März sprach er über die Entwicklung des Internet der Dinge und die damit einhergehende Transformation zu einer Wirtschaftsordnung des kollaborativen Gemeinguts – der dritten industriellen Revolution.
Unsere Gesellschaft entwickelt sich vom Kapitalismus hin zu einer neuen Wirtschaftsform, in der das kollektive Wirtschaften im Vordergrund steht. Eigentum verliert an Bedeutung. Zusammenarbeit und Teilen bestimmen die Wirtschaftsordnung „Collaborative commons“. In seinem Buch „Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft“ prophezeit der Ökonom und Zukunftsvisionär Jeremy Rifkin, dass sich durch die annähernd kostenfrei mögliche weltweite Vernetzung, Datenaustausch und Kommunikation die Zusatzkosten für Produkte (Grenzkosten) gegen Null entwickeln werden.
Diese Themen griff der 70-jährige Rifkin in seinem gut anderthalbstündigen Vortrag auf. Eloquent und in freier Rede sprach er im voll besetzten Veranstaltungsraum K6 auf Kampnagel über die enormen ökonomischen Vorteile, die Chancen und Herausforderungen des „Internet der Dinge“, in dem alles intelligent miteinander vernetzt ist: Kommunikation, Transport und Energie. Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit könnte jeder mit jedem direkt kommunizieren und das wirtschaftliche Leben demokratisieren. Die „Sharing Economy“ würde es erlauben, dass allein in Europa Millionen Prosumenten (Kunstwort aus Konsument und Produzent) nahezu kostenfrei Dinge produzieren und miteinander teilen. Dazu gehörten die eigene Gewinnung erneuerbarer Energien, GPS-gesteuerte Carsharing-Services wie auch die Herstellung von Dingen über 3D-Drucker. Auf der anderen Seite stünden Herausforderungen wie etwa neue Monopolstellungen zu verhindern, den Schutz der Persönlichkeitssphäre zu sichern und Cyberkriminalität zu bekämpfen. Das Internet der Dinge sei, so der Zukunftsvisionär, das Herzstück der dritten industriellen Revolution, die sich in den nächsten 30 bis 40 Jahren vollziehen werde.
Zugang zu Ressourcen statt Eigentum
Durch die Austausch-Möglichkeiten kämen kleine und große Unternehmen, soziale Einrichtungen und Individuen in direkten Kontakt. Bereits heute fühle sich Studien zufolge ein Großteil der Generationen X und Y vom Teilen von Gütern und Erfahrungen in der Gemeinschaft angezogen. Der Zugang zu Ressourcen sei wichtiger als Eigentum. Damit unterschieden sie sich deutlich von der Nachkriegsgeneration und den „Baby Boomers“.
Rifkin prophezeite, dass das Internet der Dinge eine Migration der Arbeitsplätze auslösen werde, weg von einem zunehmend automatisierten kapitalistischen Markt hin zu einer wachsenden sozialen und Nonprofit-Wirtschaft. Das käme all den Bereichen zugute, in denen Engagement von Mensch zu Mensch gefragt sei, etwa Erziehung, kulturelle Aktivitäten, Gesundheit und Altenpflege, Umweltengagement und Sport. Der Nonprofit-Bereich sei in vielen fortschrittlichen Industrienationen ohnehin der am schnellsten wachsende Beschäftigungssektor.
Abschließend passt das vielzitierte Bonmot „Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen“. Unsere Gesellschaft wird sich auch in Zukunft die Fragen stellen müssen: Wie werden wir uns den von Rifkin beschriebenen wachsenden Nonprofit-Sektor leisten zu können? Wie kann sich jeder Einzelne in einer „Sharing Community“ entfalten und auch von seiner Arbeit leben? Welchen Wert werden wir der Arbeit beimessen, wenn jeder alles teilt und auch selbst machen kann?
— Tanja Königshagen —
Bildquellen
- Jeremy Rifkin auf Kampnagel in Hamburg: Favorit-Media-Relations GmbH